Die SPD und die Unterschicht


Wenn es um die neuen Unterschichten geht, stört die SPD weniger die Sache selbst als ihre Benennung. »Es gibt keine Unterschichten in Deutschland«, stellt Franz Müntefering apodiktisch fest, »es gibt nur Menschen, die es schwerer haben, die schwächer sind.« Er tut so, als seien diese Menschen plötzlich vom Himmel gefallen; warum sie es schwerer haben, wodurch sie schwächer sind, vergisst er hinzuzufügen. Er würde dann nämlich schnell bei seiner eigenen Partei landen.
Wolfgang Thierse räumt wenigstens ein, was immer noch gültig ist, auch wenn er es einst in der DDR lernte: »Wir leben in einer Klassengesellschaft …« Aber auch er gibt keine Antwort darauf, warum sich die Klassengegensätze ausgerechnet in einer Zeit zuspitzten, in der die SPD an der Regierung war. Wie Müntefering stellt auch er wohlfeile Forderungen auf, die uralt sind und seit langem so unerfüllt blieben wie sie auch künftig unerfüllt bleiben werden. Denn ihre Verwirklichung verlangt eben eine andere Politik, eine wirkliche Umverteilung von der immer kleineren und reicheren Oberschicht zur Unterschicht.

Wer aber erst einmal eine Debatte um die Bezeichnung des Problems führen will, statt es selbst energisch anzugehen, muss sich nicht wundern, dass niemand mehr von ihm etwas erwartet. Am wenigsten die Zugehörigen der Unterschicht.