Das Vorbild der Leichenschänder

Drei der Soldaten, die in Afghanistan durch Leichenschändungen auffielen, kamen, wie jetzt offiziell mitgeteilt wurde, aus der Lettow-Vorbeck-Kaserne in Bad Segeberg. Das dürfte ihnen mildernde Umstände einbringen, denn die Erziehung in jener Kaserne hat ohne Zweifel zu ihrem Tun im Einsatz am Hindukusch beigetragen. Denn wenn sich eine Kaserne einen Namen gibt, dann will sie damit sagen, dass sie den Namensgeber als ihr Vorbild betrachtet. Was er tat, gilt als vorbildlich, und jeder Soldat, der ihm nacheifert, kann sich von vornherein auf der sicheren Seite sehen.

Damit kann man schließen, dass die Rekruten der nach dem kaiserlichen und nazistischen Offizier Paul von Lettow-Vorbeck benannten Kaserne folgende »Heldentaten« ihres Namensgebers als beispielhaft geschildert bekamen und nichts dabei finden können, wenn sie im Auslandseinsatz in ähnlicher Weise wie er vorgehen.

Erstens meldete sich der gerade 30-Jährige freiwillig zur Niederschlagung des Boxeraufstandes in China 1900/01, zu dem der Kaiser persönlich in seiner »Hunnen-Rede« die Marschrichtung vorgegeben hatte: »Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschlands in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.«

Zweitens diente Lettow-Vorbeck drei Jahre später als Adjutant dem Generalleutnant Lothar von Trotha bei der Niederschlagung des Herero-Aufstandes in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Damals kamen Zehntausende Hereros ums Leben, die meisten von ihnen bei der Vertreibung in die Omabeke-Wüste, wo sie elendiglich verhungerten und verdursteten. August Bebel nannte damals diesen Krieg im Reichstag einen, wie ihn » jeder Metzgerknecht führe« könne, und Historiker sind längst der Meinung, man müsse ihn als Völkermord bewerten.

Drittens kommandierte der Bad Segeberger Namensgeber im 1. Weltkrieg die so genannte Schutztruppe in Ostafrika, um die deutsche Kolonie vor allem gegen die Briten zu verteidigen. Dazu führte er überwiegend afrikanische Krieger ins Feld, die er selbst nach Kriegsschluss 1918 noch verheizte, weshalb er heute noch als »im Felde unbesiegt« gilt. »Das Vorgehen der Truppen, bei denen Plünderungen, Vergewaltigungen, Brandschatzungen, Morde, Tötungen und Folterungen von Gefangenen und Verwundeten und Zwangsrekrutierungen an der Tagesordnung waren, erinnerte an die Kriegsführung längst vergangene Jahrhunderte«, schrieb dazu der Historiker Uwe Schulte-Varendorff Und die Afrikaner nannten ihn »den Herrn, der unser Leichentuch schneidert«; sie desertierten in Massen – Forscher schätzen, bis zu 20 Prozent – aus der »Schutztruppe«.

Viertens schlug Lettow-Vorbeck 1919 in Hamburg einem Aufstand der Arbeiter gegen die auch damals schon übliche Verwendung von »Gammelfleisch« nieder und wurde ein Jahr später zu einem der Anführer des Kapp-Putsches gegen die eigene Regierung. Das beendete vorerst seine militärische Laufbahn; er betätigte sich nun als Propagandist des untergegangenen deutschen Kolonialreiches und forderte die Wiedererlangung von Kolonien, was ihn natürlich für die Nationalsozialisten interessant machte. Zwar trat er nie der NSDAP bei, doch muss er es als Genugtuung empfunden haben, dass diese ihre Braunhemden nach dem Vorbild des für seine »Schutztruppe« entworfenen »Lettowhemdes« gestalteten. Hitler ernannte ihn 1938 zum General zur besonderen Verwendung.

All das prädestinierte Lettow-Vorbeck zum Namensgeber einer Bundeswehr-Kaserne; als er starb gab ihm der damals amtierende Bundesverteidigungsminister die Ehre. Was aber kann man von Soldaten erwarten, die dort und gewiss auch anderswo in seinem Geist erzogen werden?