Geteilte Pressefreiheit

Wenn es um die Verletzung der Pressefreiheit anderswo, zum Beispiel in Russland oder China, geht, ist die Bundesregierung schnell mit besorgten Kommentaren zur Stelle. Dann geißelt sie auch schon mal, dass Redaktionen durchsucht oder einzelne Journalisten drangsaliert werden. Zu Hause jedoch vertritt sie ganz andere Positionen. Da nennt sie zumindest Teile der Ausübung der Pressefreiheit ein »Journalistenprivileg«, das es – so heute vor dem Bundesverfassungsgericht ihr Justizstaatssekretär Lutz Diwell – nach ihrer Meinung nicht geben könne. Anlass der Verhandlung in Karlsruhe war die Durchsuchung des Magazins »Cicero« und der Privatwohnung eines Journalisten, der in dem Blatt aus einer Verschlusssache des Bundeskriminalamtes zitiert hatte. Bei der Aktion ging es einzig darum zu ermitteln, auf welchem Wege der Journalist das Geheimdokument bekommen hat.

Das Ziel dieses Vorgehens der Bundesregierung ist offensichtlich, die Recherchearbeit von Journalisten dann zu kriminalisieren, wenn sie auf Vorgänge stoßen, die die Behörden – aus welchen Gründen immer – unter Verschluss halten wollen. Damit soll erreicht werden, dass nur noch solche Informationen öffentlich werden, die der Regierung genehm sind. Zahlreiche Skandale der Vergangenheit wären nicht aufgeklärt worden, wenn nicht einzelne Beamte die Medien informiert hätten. Sie selbst machen sich damit strafbar, weshalb einschlägige Regelungen zu Recht Informantenschutz vorsehen. Der soll nun ausgehebelt werden, indem man auch Journalisten wegen »Beihilfe zum Geheimnisverrat« belangen will.

Mit Pressefreiheit hat das alles nichts zu tun, denn die besteht gerade darin, unbeeinflusst von Dritten jene Informationen zu verbreiten, die zur umfassenden Information der Bürger notwendig sind – auch solche über staatliches Handeln, das bei weitem nicht immer rechtmäßig ist und nicht selten sogar dem Grundgesetz zuwiderläuft. Solche Themen zu bearbeiten, ist jetzt schon schwer für die Medien, da sowohl ökonomische Gründe als auch vielerlei Kontrollmechanismen – man denke nur an die von den großen Parteien dominierten Rundfunkräte – das oft verhindern. Der Regierung aber reicht das noch nicht; ihr ist offensichtlich suspekt, wenn der Bürger zu viel weiß.