Nicht die Natur ist die Katastrophe

Schlechtes Wetter gibt es nicht, sagt ein geflügeltes Wort, man ist nur falsch angezogen. Was wir für den täglichen Spaziergang inzwischen akzeptieren gelernt haben, gilt uns aber noch lange nicht für die globalen Wetterlagen, wie uns der Umgang mit dem Orkan »Kyrill« wieder deutlich zeigte. Da »spielte plötzlich die Natur verrückt«, ist von Naturkatastrophen die Rede – so als sei den himmlischen Mächten plötzlich eingefallen, die Menschen durch Sturm und Regen kräftig zu ärgern. 

Tatsächlich jedoch kümmert sich die imaginäre Natur überhaupt nicht um den Menschen. Sie folgt ihren eigenen Gesetzen, reagiert dabei natürlich auch auf menschliches Tun – das aber nur, um das eigene Gleichgewicht zu erhalten. Was uns dann als Katastrophe erscheint, ist nicht mehr und nicht weniger als unsere Unfähigkeit, uns auf die Natürabläufe einzulassen, deren Gesetzmäßigkeiten in Rechnung zu stellen. Wer also am Wasser baut, muss akzeptieren, dass es ihn hin und wieder erreicht oder gar überflutet – oder er muss wegziehen. Wer glaubt, er brauche eine Energiemasse, die weit über das Vernünftige hinausreicht, darf sich über Hitzeperioden im Sommer und fehlenden Schnee im Winter nicht beschweren. Er muss damit leben lernen oder seinen Stromverbrauch einschränken. Und wer einige hundert PS unter der Haube seines Autos haben und diese auch ausfahren will, sollte häufiger den Weg zum Arzt einplanen und mit allerlei Beeinträchtigungen seines Immunsystems rechnen oder vielleicht öfter mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen.

Die Natur jedenfalls wird uns nicht entgegenkommen und künftig auf das verzichten, was wir vorwurfsvoll Katastrophen nennen. Warum auch? Sie hat Untergang nicht zu befürchten. Sie wird weiter existieren – so oder anders. Und ihr ist völlig gleichgültig, was aus den Menschen wird. Denn eine böse Natur gibt es nicht, nur Menschen, die nicht richtig mit ihr leben können.