Kriegspolitik verdirbt die Politiker

Man stelle sich vor, die Bundesanwaltschaft erhebe Anklage gegen Horst Köhler, weil der Bundespräsident im vornehmen Schloss Bellevue seinen weiblichen Angestellten mehrfach nachgestellt, sie sexuell belästigt und eine sogar vergewaltigt habe. Man stelle sich weiter vor, die Bundeskanzlerin erfuhr in ihrem Amt von einem Bauprojekt der CDU oder der Regierung an einem etwas abgeschiedenen Ort und telefonierte daraufhin mit einem ihr bekannten Immobilienmakler im Uckermärkischen, der nun sofort das (noch) preiswerte Grundstück kaufte, um es später mit saftigem Gewinn an den neuen Bauherrn weiterzuveräußern. Man stelle sich auch vor, der Kanzleramtsminister habe sein Wissen in ähnlicher Weise und gegen bare Münze an mehr als ein Dutzend Unternehmer verkauft und ihnen damit lukrative Geschäfte ermöglicht. Und man stelle sich schließlich vor, zwei Minister mussten schon zurücktreten – einer ebenfalls wegen sexueller Belästigung und ein anderer wegen Korruption, Machtmissbrauchs und Meineid.

All das ist ziemlich unvorstellbar und ein wenig sträubt sich sogar die Computertastatur, diese fiktiven Vorgänge niederzuschreiben. Doch in Israel sind sie alle durchaus nicht fiktiv, sondern Realität; die dortigen Staatsanwälte haben offensichtlich Mühe, des kriminellen Treibens in Regierungsstuben Herr zu werden, zumal sich die Täter kaum einer Schuld bewusst sind und mit großer Geste – wie gestern der israelische Staatspräsident Katzav trotz hundertfacher Zeugenaussage – alle Anschuldigungen zurückweisen. Über die Ursachen solch einer Verlotterung der Sitten kann man nur rätseln, aber möglicherweise hängen sie mit dem permanenten Kriegszustand zusammen, in dem die israelischen Regierungen ihr Land seit Jahrzehnten halten. Dass Kriege jede Moral verderben, ist lange bekannt, und Israels Kriege sind von besonderer Brutalität. Seine Politiker und Militärführer legen sich bei ihren Angriffen auf die Nachbarn kaum Zurückhaltung auf. Wer aber meint, außerhalb der Landesgrenzen alles zu dürfen, sieht vielleicht auch keine Grenzen mehr, wenn er im Inneren seine Absichten durchsetzen will – auch zum eigenen Vorteil.

Es ist gut, dass die israelische Justiz – trotz aller Behinderungen, die oft auch von Regierungsstellen ausgehen – dagegen einschreitet. Eine Lösung des Problems sind einzelne Prozesse und Verurteilungen aber wohl nicht, wie die Vielzahl entsprechender Verfahren zeigt. Nötig wäre eine Politik, die nicht das eigene Wohl zur höchsten Maxime erhebt und zugleich rechtfertigt, dass dieser Zweck so gut wie alle Mittel heiligt. Eine solche Politik könnte auch ein Beitrag zur Lösung des Nahostproblems insgesamt sein.

Korruption und Meineid, in: Berliner Zeitung vom 25.01.2007

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