Die Rache der Sieger

Für Sieger ist der Sieg oft erst komplett, wenn der Bezwungene vor ihm im Staub liegt und ihm die Füße leckt. Großzügige Sieger sind selten; vor allem jene, die zum Sieg oft nur wenig beigetragen haben, kompensieren solches Defizit dadurch, dass sie den geschlagenen mit ewiger Rache verfolgen.

Das erlebten wir gerade in der Gnadensache Christian Klar. Zwar war der Bundespräsident der einzige, der darüber zu entscheiden hatte, aber selbsternannte Rächer vor allem aus dem bürgerlichen Lager gaben ihm vorsorglich vor, was er zu tun hat. Schließlich haben sie ihn gewählt und betrachten ihn daher als ihr willfähriges Geschöpf. Sollte er es wagen, ihre Befehle nicht auszuführen, so ließen sie durchblicken, werde ihn auch der Rachestrahl treffen – bei der nächsten Wahl des Staatsoberhauptes. Sie, die immer gern von Werten schwätzen, lieferten damit den Gnadenakt der parteipolitischen Zweckmäßigkeit aus. Und der Präsident verstand den Wink; Klar muss weiter sitzen.

Überraschend ist so etwas nicht; vielmehr gängige Praxis im politischen Geschäft. Zum Beispiel auch im Fall Ingo Steuer. Weil der Eiskunstlauftrainer zu DDR-Zeiten als junger Mann einige Zeit der Staatssicherheit zu Diensten war, verfolgt ihn seither die Rache der Sieger – zumal er sich weigert, vor ihnen im Staub zu kriechen. Er hat statt dessen Wiedergutmachung dadurch geleistet, dass er – zu Teilen auf eigene Kosten, da ihm jede Förderung versagt wird – ein Eiskunstlaufpaar zum Europameister und Weltmeisterschaftsdritten  machte. Jetzt prüfte kein geringerer als der erste Stasiaktenverwalter Joachim Gauck seinen Fall und kam zu dem Urteil, er könne durchaus Eiskunstlauftrainer bleiben. Seither ergeht es Gauck wie bis heute dem Bundespräsidenten. Die Rächer stellen ihn an den Pranger, weil er sachkundig entschied und nicht nach ihren Vorgaben. Mit seinem Verdikt wollten sie ihren Rachefeldzug fortsetzen; er sollte instrumentalisiert werden. Ihn ehrt, dass er in diesem Falle widerstand, doch die Rächer sind weiter unterwegs – und vergiften allein schon dadurch das Klima in diesem Land.