Ende der Rekordjagd

Vielleicht war es das Beste an den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Osaka, dass kein Weltrekord aufgestellt wurde. Wäre es anders gekommen, hätte sich die Aufmerksamkeit ohne Zweifel vom sportlichen Geschehen hin zur Doping-Diskussion, wie sie derzeit gern mit einem hohen Maß an Heuchelei und Selbstgerechtigkeit geführt wird, begeben. So aber kann das Fehlen von Höchstleistungen durchaus als positives Ergebnis des ehrlichen Anti-Doping-Kampfes verbucht werden, und außerdem ist dadurch wohl auch das eigentlich Interessante am Sport, der Zwei-, Drei- oder Vierkampf mit seinen taktischen Finessen, Unwägbarkeiten und Überraschungen sowie der gerade damit erzielten Spannung wieder zu seinem Recht gekommen.

Manche sind ja schon unterwegs, die leichtathletischen Wurf-, Stoß- und zum Teil auch Sprungwettbewerbe aus den Wettkampfprogrammen zu verbannen, weil sie angeblich nicht zuschauerfreundlich – was in der Regel heißen soll: fernsehtauglich – seien. Osaka hat das Gegenteil bewiesen; gerade diese Disziplinen mit ihren wechselnden Platzierungen und unerwarteten Steigerungen waren hochspannend und bannten den Zuschauer an den Bildschirm. Und auch bei den Läufen zeigte sich, dass ein Wettkampf ohne Rekordjagd weitaus spannender sein kann, gilt doch hier, was der einzelne Athlet vorweisen kann – an taktischem Geschick, an Nervenstärke und Steigerungsvermögen. Dadurch werden auch Läufe mit »schwachen« Zeiten zum Ereignis, während die Jagd auf angekündigte Meeting-Rekorde oft jeder Spannung entbehrt, gerade weil der von den Veranstaltern zum Star erklärte Läufer das übrige Feld zu Komparsen degradiert und dann das angestrebte Ziel oft nicht einmal erreicht. Den Rekord kann der Zuschauer nicht wirklich wahrnehmen, wohl aber die aus dem unmittelbaren Aufeinandertreffen hochklassiger Läufer resultierende Spannung.

 Insofern könnte sich mit Osaka ein Umdenken – weg von Rekordjagden, hin zum Zweikampf unter gleichen Bedingungen – andeuten. Dem Sport könnte das nur gut tun, nicht zuletzt auch deshalb, weil damit der Verlockung, mit unerlaubten Mitteln nachzuhelfen, wenigstens ein Stück weit die Basis entzogen würde.