Freie Fahrt für die Lokführer

Wenn Bahnchef Hartmut Mehdorn nicht in letzter Sekunde noch eine Finesse einfällt, mit der er den fast völlig ausgehandelten Tarifvertrag mit der Lokführergewerkschaft GdL zu Fall bringt, steht für die kleine Gewerkschaft endlich das Signal auf »Freie Fahrt«. In fast zehn Monate langen, nervenaufreibenden Verhandlungen, die immer wieder von Streikaktionen unterbrochen waren, hat sie sich am Ende im wesentlichen durchgesetzt und einen Abschluss erreicht, der die Einkommen wie Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder verbessert.

Aber nicht nur das: Die Lokführer haben neben dem Erfolg für die eigene Klientel auch für Arbeitnehmer in anderen Bereichen etwas erreicht – wenn diese und ihre Vertretungen denn die Ergebnisse entschlossen aufnehmen und im eigenen Bereich umsetzen. Erstens haben sie bewiesen, dass selbst unter den ungünstigen Verhältnissen hoher Arbeitslosigkeit und starken öffentlichen Drucks seitens des Unternehmens und der Medien positive Resultate durchgesetzt werden können, wenn man – so wie das die Arbeitgeber täglich und ohne jede Skrupel vormachen – entschlossen seine Interessen vertritt, die eigenen Stärken geschickt nutzt und sich den Schneid nicht von den Konzernzentralen abkaufen lässt, auch nicht durch verlockende Angebote, wie sie Gewerkschaftsfunktionären wiederholt und leider nicht ohne Erfolg gemacht worden sind.

Zweitens hat es die GdL verstanden, in Sachen Tarifvertragsrecht den Spieß umzudrehen und die Arbeitgeber mit deren eigenen Waffen zu schlagen. Waren sie es nämlich in der Vergangenheit, die aus Gesamttarifverträgen ausstiegen, um Belegschaften gegeneinander ausspielen zu können und das für ihre Seite günstigste Ergebnis zu Ungunsten der Beschäftigten herauszuholen, so hat die GdL diesmal die Solidarität mit einem schlecht ausgehandelten Gesamttarifvertrag zwischen der Bahn AG und den von dieser über lange Jahre ziemlich gefügig gemachten Gewerkschaften Transnet und GDBA aufgekündigt und gezeigt, dass es besser geht. Denn Gesamttarifverträge sind eben nur dann etwas wert, wenn sie den Arbeitnehmern etwas bringen; sie verlieren ihre positive Funktion, sobald sich die Gewerkschaft dafür die Bedingungen diktieren lässt und nicht gründlich prüft, welche Möglichkeiten sie für den optimalen Abschluss bieten. Insofern ist das säuerliche Lob der Großgewerkschaften an der GdL unverständlich; sie sollten vielmehr prüfen, was von der kleinen Schwester für die Durchsetzung der eigenen Forderungen zu lernen ist – gerade auch für die anstehenden Tarifauseinandersetzungen.

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