Das Bloggerei

Die Formalisten der Blogger-Gemeinde werden sofort darauf verweisen, es müsse doch d i e Bloggerei heißen und nicht d a s. Aus ihrer Sicht haben sie natürlich recht, übersehen dabei aber vielleicht, dass nur die Unterschicht der Webliteraten die Szenerie der virtuellen Tagebücher auf derart plebejische Weise bezeichnet, während die Patrizier, die Akademiker vornehm von der »Blogosphäre« sprechen, schweben sie doch gern im gehobenen Raum.

Bleiben wir also beim Bloggerei, zumal es dabei weniger auf die beiden ersten Silben ankommt, sondern als die letzte – das Ei, dem in diesen Ostertagen schließlich unsere ganze Aufmerksamkeit gebührt. Es genügt uns jetzt auch nicht, es in uniformer Einfarbigkeit zu belassen; vielmehr bemühen wir die gesamte Spektralskala, um ihm ungeahnte Buntheit zu verleihen – wohl auch, damit wir es in dem Versteck, in das es der Hase oder einer seiner unzähligen Gehilfen verbracht hat, wiederfinden.

Allerdings stehen der Verfärbung der Eier derzeit wachsende Hindernisse im Wege, weisen sie doch in der Regel beim Kauf in den Supermärkten bereits eine deutliche Farbgebung auf. Es ist ein nicht einmal hässliches, doch derzeit ziemlich störendes Braun, denn für eine saubere Kolorierung ist nun mal der reinweiße Untergrund vonnöten. Den aber findet man im Eiergeschäft nur noch selten. Nur einmal wurde ich dem weißen Ei ansichtig – da aber stammte es auf der Käfighaltung, und hier im Osten haben wir schließlich lange genug im Käfig gesessen, als dass wir heute Eier aus einer Produktion bar jeder Freiheit und Hühnerrechte akzeptieren würden.

Also musste ich schließlich zu den braunen Eiern greifen, wobei mir allerdings die aktuelle Diskussion über vielfältigste Farbkombinationen wenig half, die derzeit durch die politische Landschaft rauscht. Da sind schwarz-gelbe Mischungen schon seit 1998 nicht mehr »angesagt«, und auch das danach in Mode gekommene Rot-Grün erlebte nur eine relativ kurze Periode der Zustimmung, während das seither dominierende Schwarz-Rot auch kaum einer noch sehen mag. Doch dafür ist wohl Schwarz-Grün im Kommen, auch in einer Abirrung mit Gelb, die allerdings nur in Jamaika erträglich zu sein scheint. Verpönt ist allzu viel Rot, vor allem wenn es doppelt aufgetragen wird; dann assoziieren manche den zweiten Rotton mit »Blutrot«, und ein Schauder läuft ihnen über den Rücken.

Braun allerdings ist aus gutem Grund bei solchen Falbspielereien (noch?) nirgends im Angebot, sollte ich es da auf dem heimlichen Schleichweg über das unschuldige Osterei einführen? Zwar mühte sich der Eierfarben-Hersteller, der das Problem an sinkenden Umsatzzahlen wohl schon schmerzlich gespürt hatte, um Ermutigung, versprach er doch, seine bunten Tabletten würden die »noch heißen (weißen oder braunen) Eier färben«, aber sonderlich zuversichtlich machte mich das nicht. Da aber besann ich mich auf die Weisheit des Web. Gab es nicht in der Blogger-Gemeinde Experten für alle Bereiche? Konnte man nicht ins Netz jede Frage werfen und unverzüglich einen reichen Fischzug von Antworten machen?

Natürlich wurde ich nicht enttäuscht – aber dann doch und auch zugleich furchtbar beschämt. Denn kaum einer der Blogger hielt sich bei der Pillenmethode des Eierfärbens auf – und wenn, dann nur um dringend abzuraten. Denn allergische Reaktionen sind zu gewärtigen, wenn zum Beispiel Azofarbstoffe verwendet werden, setzen die doch »aromatische Amine (Ammoniak-Derivate) frei, die als giftig einzustufen sind«. Und tatsächlich befand sich unter meinen Farbtabletten Azurubin (Giftnummer E 122), für die allerdings die einschlägige Liste Entwarnung signalisierte: »in kleinen Mengen unbedenklich, von häufigem Verzehr abzuraten«. Dafür aber verstörten die anderen vier Farben gewaltig, fielen sie doch sämtlich unter die Rubrik »Allergiker, Asthmatiker und andere Risikogruppen sollten diese Stoffe meiden.« Indigotin (E 132) ist zudem Erbgut schädigend, Gelborange (E110) allgemein schädlich, Chinolingelb (E 104) und Brilliantschwarz (E 151) Allergie auslösend.

 Eigentlich ein Fall für die Mülltonne – oder muss man gar die Sondermüllabteilung rufen, auf dass sie mit Schutzanzug und Atemmaske anrücke? Ungeachtet der unverhohlenen Drohung, denn schließlich gehört doch jeder, wie unser Innenminister weiß, zu irgendeiner Risikogruppe, panschte ich Pillen und braune Eier zusammen – und musste erleben, dass auch optisch das Ergebnis wenig vertrauenerweckend war. Am besten vertrug sich noch das einigermaßen harmlose Azorubin mit dem Braunei, während vor allem Indigotin, also Blau, und Brillantschwarz, was wohl Grün sein sollte, eine Färbung verursachten, die sich eng am Outfit brauner Kameradschaften orientierte. Das waren gewissermaßen Eier im Kampfanzug, deren Anblick auch dann zu gehöriger Distanz raten sollte, wenn man mit der Giftliste nicht so vertraut ist.

 Also zurück zur Natur. Da gibt es viele Vorschläge im Web, die sich natürlich ähneln, aber auch nicht restlos überzeugen können. Vielleicht sind die Eier ja gesünder, aber so richtig schön sehen sie auch nicht immer aus, das musste selbst IVY zugeben, der im Video die Schrittfolge zum Osterei penibel zelebriert, doch mit dem Resultat nur begrenzt überzeugen kann. Aber so selten ist es eben nicht, dass sich hinter der Schönheit ein ungenießbarer Kern verbirgt, während die inneren Werte im unscheinbaren Gewand daherkommen. Blogger jedenfalls stört derlei Widerspruch nicht; daher ist das wahre Bloggerei ein naturbelassenes auch in seiner Farbigkeit. Mir allerdings half das am Ende wenig, weil die natürlichen Zutaten nicht zur Hand waren. So werden es die schädlichen, Allergie auslösenden und Erbgut beeinträchtigenden Ostereier tun müssen – wie bisher jedes Jahr. Doch wenn ich daran nicht gestorben bin, versuche ich es bestimmt zum nächsten Osterfest ganz natürlich und gesund.

Ansonsten sind wir jetzt im Frühling angekommen, auch wenn es draußen nicht danach aussieht. Aber vielleicht steckt auch in diesem Falle mehr Gutes in der anlaufenden Jahreszeit, als der äußere Anschein ahnen lässt. Das hat natürlich wieder Konsequenzen für das Bloggen, aber darüber habe ich mich schon vor Jahresfrist ausgelassen, nicht ohne Widerspruch. Doch den muss man in unserem Geschäft eben ertragen.

One Reply to “Das Bloggerei”

Comments are closed.