Sehnsucht nach dem Kalten Krieg

Beim krampfhaften Bemühen, den jüngsten BND-Skandal möglichst weit entfernt von der Berliner Regierungszentrale, die doch gleichwohl für die Anleitung und Kontrolle des Auslandsgeheimdienstes zuständig ist, zu halten, ist dem SPD-Vorsitzenden des – auch durch sein Wirken – zahnlosen Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) jüngst eine aufschlussreiche Bemerkung entschlüpft. Er warb für Geduld mit einem BND, »der aus dem Kalten Krieg kommt« und sich in der multipolaren Welt erst orientieren müsse.l

Abgesehen davon, dass die »multipolare Welt« inzwischen schon fast 20 Jahre besteht und man zu einem Geheimdienst, dem es in dieser langen Zeit nicht gelang, sich auf die neuen Verhältnisse einzustellen, nur wenig Vertrauen haben kann, da eigentlich das schnelle Einstellen auf neue Situationen eine der tragenden Aufgaben von Geheimdiensten ist. Abgesehen davon, dass Oppermann damit einräumt, dass früher, im »Kalten Krieg«, die Anwendung rechtsstaatswidriger Methoden zum offensichtlich üblichen Vorgehen des BND gehörte – und zwar so intensiv, dass er auch nach Jahrzehnten davon nicht lassen kann. Abgesehen also von diesen Merkwürdigkeiten muss man ansonsten den BND in dieser Sache jedoch freisprechen. Denn die Orientierung in einer »multipolaren Welt« gelingt nicht nur dem BND nicht; vor allem ist die Bundesregierung noch lange nicht in ihr angekommen. Sie ist es, die noch in den Kategorien des Kalten Krieges denkt und gar nicht so selten außenpolitische Maßnahmen danach ausrichtet.

So werden zum Beispiel Russland oder China, einst ideologische Gegner mit beträchtlichem militärischem Drohpotential, teilweise noch immer als solche wahrgenommen und im Stile alter Kalter-Kriegs-Propaganda attackiert – ungeachtet dessen, dass sie sowohl ideologisch mit den früheren kommunistischen Mächten gar nicht oder kaum noch vergleichbar sind als auch militärisch längst keine Bedrohung mehr darstellen und auch nicht darstellen wollen. Dafür wurden sie zu stinknormalen Konkurrenten des Westens auf wirtschaftlichem Gebiet, wetteifern sie recht erfolgreich mit ihm um Märkte und Rohstoffe. Die Verunsicherung der USA und der EU über diesen Paradigmenwechsel lässt bei ihnen jene seltsame Sehnsucht nach dem Kalten Krieg aufkommen, die wir in jüngster Zeit verstärkt beobachten konnten. Ach, wie war doch die Welt damals noch verstehbar; man musste wenig Intelligenz aufbringen, um Freund und Feind zu unterscheiden.

Gleiches gilt übrigens für den Umgang mit Ländern der Drittten Welt, vor allem dann, wenn man sie abhängig von der eigenen Gnade wähnt. Zum Beispiel Afghanistan, wo deutsche Soldaten angeblich stehen, um dem Land Frieden und Demokratie zu bringen. Tatsächlich jedoch verfolgt auch die Bundesregierung am Hindukusch ganz eigennützige Ziele, wobei jene des Anti-Terror-Kampfes keineswegs die wichtigsten sind. Es geht um Macht und Einfluss in einer Region, der man für die Zukunft strategische Bedeutung beimisst. Und da gehört es zum Geschäft, auch eine angeblich befreundete Regierung zu bespitzeln. Das Misstrauen aus den Zeiten des Kalten Krieges ist von der Bundesregierung konserviert worden; muss man sich da wundern, dass ihr Geheimdienst nichts dabei findet, mit den damaligen Methoden auch heute noch vorzugehen? Auf diese Zusammenhänge – gewiss ungewollt – hingewiesen zu haben, dafür gebührt Thomas Oppermann, dem obersten Geheimdienst-Verteidiger der Sozialdemokraten, unser aller Lob.

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