Nach Beck nun Ypsilanti im Visier der SPD-Rechten

Was immer man auch Kurt Beck in seiner Amtsführung als SPD-Vorsitzender vorwerfen konnte, mindestens in einem Punkt bewies er weitaus mehr Instinkt als alle seine bornierten Kritiker. Denn obwohl er ein erklärter Gegner der Linkspartei ist und das auch ständig durchaus aggressiv zum Ausdruck brachte – zum Beispiel im letzten Landtagswahlkampf in Rheinland-Pfalz, begriff er doch sehr schnell die Chance, die sich aus dem Wahlergebnis in Hessen ergab. Zur allgemeinen Überraschung war es Andrea Ypsilanti in Hessen tatsächlich gelungen, der CDU Roland Kochs so viele Stimmen abzujagen, dass er weder allein noch mit der FDP eine Regierung bilden kann; dafür bot sich die Chance, selbst mit den Grünen regieren zu können – allerdings um den Preis, das Wahlversprechen, sich nicht auch von der Linkspartei ins Amt wählen zu lassen, zu brechen.

Beck stand nun vor der Entscheidung, eine solche Zusage als Dogma zu betrachten – übrigens ganz im Gegensatz zum designierten Noch-einmal-SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering , der es einmal als unfair bezeichnet hatte, von einer Partei die Einhaltung ihrer Wahlversprechen zu verlangen – oder die Möglichkeit, der SPD nicht nur eine zusätzliche Ministerpräsidentin zu bescheren, sondern ihr dadurch auch bundesweit wieder Mut zu machen, zu nutzen. Genau Letzteres tat Beck, wenn vielleicht auch ziemlich ungeschickt; dass dann auch Ypsilanti die Sache ähnlich ungeschickt und überhastet anging, führte zwar zu einer Niederlage, änderte aber nichts an der Berechtigung, aus dem Wahlergebnis gegen Koch etwas Substantielles zu machen.

Dies dürfte der Grund für Beck gewesen sein, gegen sein eigenes inneres Unbehagen hinsichtlich der Linken Andrea Ypsilanti weiterhin, wenn auch öffentlich etwas halbherzig, zu stützen, ihr zumindest den Rücken frei zu halten. Wie sehr er damit machtpolitisch richtig lag, zeigt seit Monaten die Strategie von CDU und CSU, die SPD unbedingt auf einen Abbruch des hessischen Experiments festzulegen, denn bei einem Gelingen würde sich der SPD – zunächst in zahlreichen Ländern, später vielleicht auch im Bund – eine neue Bündnisoption eröffnen, mit der sie die Union möglicherweise für Jahrzehnte auf die Oppositionsbänke verbannen könnte. Es zeugt von den ideologischen Scheuklappen des rechten SPD-Flügels, dass er diese Chance nicht begreift und ihre Nutzung sogar erbittert bekämpft und damit nicht nur der Union als Ganzer hilft, sondern faktisch auch noch das Geschäft Roland Kochs betreibt, der in einer ähnlichen, aber umgekehrten Situation keine Sekunde zögern würde, die SPD schachmatt zu setzen.

Der Triumph der SPD-Rechten über Beck verschlechtert auch die Aussichten Andrea Ypsilantis. Man muss davon ausgehen, dass sie so, wie sie Kurt Beck zu Fall brachten, auch gegen die hessischen SPD-Vorsitzende intrigieren werden, um ihren Erfolg, den sie als ihre Niederlage empfänden, zu verhindern. Welches zerstörerische Potential sie dabei zu aktivieren vermögen, haben sie gerade hinlänglich bewiesen – und vielleicht sind einige der jüngsten Ratschläge an Ypsilantis Adresse schon der Auftakt einer neuen Fallenstellerei.

In ihrem jetzigen Zustand bringt die SPD starke Kräfte hervor, die offensichtlich Hessen weiterhin von Roland Koch regieren lassen wollen – nur damit ihr eigener Rechtskurs nicht gefährdet wird. Ihnen geht es weder um das Land noch um die Partei, sondern allein um ihre egoistischen Ziele. Damit haben sie die SPD bereits auf einen historischen Tiefststand gebracht, aber das Ende der Fahnenstange ist damit noch längst nicht erreicht.

8 Replies to “Nach Beck nun Ypsilanti im Visier der SPD-Rechten”

  1. Unter den derzeitigen Umständen wäre es tatsächlich besser für die SPD auf die Installierung einer Ministerpräsidentin in Hessen zu verzichten, denn derzeit ist Koch ein Zahnloser Tiger, der auf eine gewisse Zusammenarbeit mit dem Parlament angewiesen ist. Würde nun eine Minderheitsregierung mit dem extrem geringen Polster an Stimmen im Landtag Einzug halten, bekäme diese arge Probleme noch ihre Politik zu verkaufen. Dass die SPD mit der Linkspartei kann, zeigt sie derzeit in Berlin, die Optionen stehen in Brandenburg und im Saarland (sicherlich mit einer noch stärkeren Linken) in Zukunft noch zu genüge zur Verfügung. Man sollte davon abrücken, dass nur das stellen einer Landesregierung zur Umsetzung der eigenen Politik befähigt, denn auch eine gezielte Oppositionsstrategie (noch dazu mit Stimmenmehrheit in Hessen), könnte der Partei und vor allem der linken Politik noch viel bringen, zumindest mehr, als ein Drang zur unkontrollierten Macht.

  2. Unter Beck ist die SPD spürbar nach links gerückt und das war die eigentliche Ursache für den Vertrauensverlust. Links gibt es seit dem auftauchen der Linkspartei nichts mehr zu holen. Dort hat die SPD nachhaltig vertrauen verloren was sie auch nicht wiedergewinnen kann. Die SPD hat unter Beck in der Mitte verloren und dort ist CDU nun nachgerückt. Der „Putsch“ der „Parteirechten“ ist ein Versuch das zu reparieren. Wahlen werden dort gewonnen, wo die Steinmeier und Müntefering stehen, nicht dort wo Gysi und Lafontaine sind. In einem strategischen Bündnis mit der Linkspartei kann die SPD nur verlieren und irgendwann, so wie es im Saarland bereits droht, nur noch Juniorpartner sein. Der saarländische Spitzenkandidat Heiko Mass ist ein Ziehkind Lafontaine und gehört zur strammen Parteilinken der Sozis. Warum sollten die Saarländer die Kopie wählen, wenn sie Original haben können?

  3. nachdem sich etwa 60 spd linke kritisch über die agenda 2010 geäußert haben und einen richtungswechsel der spd forderten,wurde es es für die neoliberalen in der spd zeit ihren vorsitzenden wegzuputschen.immerhin war er in bezug auf die linke nicht mehr zuverlässig genug.die zerschlagung des ehemaligen sozialstaates ist noch nicht vollständig.für dieses ziel scheinen münte und co bereit zu sein auch ihre partei zu opfern.der eintritt in die cdu(wahlweise fdp oder grüne)steht ihnen dann ja immer noch offen.es zeigt den zustand dieser partei wenn sie ihre totengräber als retter in der not ansieht.

  4. @ maphry

    Die Praxis in Wiesbaden zeigt, dass sich Koch wenig ums Parlament kümmert und eher die rot-grün-rote Mehrheit wie einen zahnlosen Tiger aussehen lässt. Natürlich ist das Risiko für Ypsilanti groß, aber soll sie deshalb von vornherein die Flinte ins Korn werfen?

    @ Mcp

    Der Vertrauensverlust für die SPD hat unter Schröder begonnen, der Wahl auf Wahl verloren hat. Kehrt man zu seiner Politik zurück, wird sich dieser Prozess fortsetzen, zumal die Union der SPD längst die Mitte-Themen aus der Hand genommen hat. Das hat im Januar zum Beispiel Niedersachsen bewiesen, während in Hessen die SPD mit einem Linkskurs Koch die Mehrheit nahm.

  5. Mag sein, dass Schröder am linken Rand verloren hat. Aber Beck hat rechts verloren, ohne links zu gewinnen. Der linke Rand ist dauerhaft weg. Dafür gibt es die Linke. Das einzige wo die SPD wieder gewinnen kann, ist die politische Mitte. Eben mit Steinbrück und gegen die CDU und nicht gegen Lafontaine. Das war die Intention meines Beitrags.

  6. Wer kann für Andrea Ypsilantis Absicht, Ministerpräsidentin in Hessen zu werden, wohl gefährlicher sein, der politische Gegner CDU, besonders in Person von noch Ministerpräsident Roland Koch, oder die „Parteifreunde“ vom rechten Flügel der SPD?

    Richtig ist sicherlich, daß die Lage der Nach-Schröder-SPD alles andere als günstig ist. Nach politisch links von der Linkspartei bedroht, gerade was die (früheren) Stammwähler, die sog. kleinen Leute betrifft, und nach rechts gibt es mit CDU und FDP und z.T. auch durch die verbürgerlichten Grünen schon genügend Anwärter für Wähler der sog. politischen Mitte.

    Dennoch besteht wohl die einzige halbwegs realistische Chance, aus dem unbefriedigenden Abhängigkeitsverhältnis zur CDU als kleiner (werdender) Juniorpartner herauszukommen, indem man wieder mehr nach links blickt, wo man mit den Grünen und eben auch der Linkspartei die Regierungsverantwortung als stärkste politische Karft übernehmem könnte und sich so den Menschen im Lande als Alternative zum bürgerlichen Lager präsentieren könnte.

    Keine Frage natürlich, daß ein „Polit-Rambo“ wie Roland Koch sich selbst eine solche Chance zum Machterwerb nicht entgehen lassen würde, und auch Franz Müntefering hält sich nur dann an seine Wahlversprechen, wenn es ihm ins machtstrategische Kalkül paßt.

  7. Was soll man eigentlich unter politischer Mitte verstehen?Wer repräsentiert eigentlich diese „Mitte“.Für mich ein ziemlich nebulöser Begriff.Sollte es nicht eher darum gehen das in der Verfassung verankerte Sozialstaatsgebot wieder ernst zu nehmen und dahingehend seine Politik auszurichten?Aber leider scheinen bei den etablierten Parteien Inhalte keine Rolle mehr zu spielen,parteipolitisches Kalkül dafür umso mehr.Was soll man eigentlich davon halten, das Müntefering am 8.9. auf einer Pressekonferenz einem Journalisten verspricht im Bund niemals mit der Linken zu kooperieren?Welchen Rang nimmt dieser Journalist in der Gesellschaft im Gegensatz zum Wähler ein?Die Politik in diesem Land macht mich zunehmend sprachlos.

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