Dieter Althaus duldet kein Hindernis auf seinem Weg

Es ist nicht der alltägliche politische Betrieb, der Einblick in den Mechanismus der Macht und die Antriebe der Mächtigen gestattet, sondern der Sonderfall, die Ausnahme, das Unvorhergesehe, das auf den Boden des politischen Systems, in die Tiefe der Seele seiner Akteure schauen lässt. So auch beim Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus.

Seit der einstige Mathematik- und Physiklehrer aus der DDR auf der Leiter der Macht immer höher kletterte, hat sich bei ihm – wie mehr oder weniger wohl bei jedem Politiker – als Grundhaltung herausgebildet, jedes, aber auch jedes Hindernis schleunigst aus dem Weg zu räumen. Helmut Kohl hat das verstanden, der sich gegen Barzel und Franz Josef Strauß durchsetzte, später Geißler und Späth ausbootete und Wolfgang Schäuble auf langen Arm förmlich verhungern ließ. Angela Merkel hat von ihm gelernt. Sie stellte erst Kohl in Frage, beerbte dann Schäuble, schlug den Konkurrenten Merz aus dem Feld und nutzte am Ende geschickt die Chance, Edmund Stoiber beim Kampf um die Kanzlerschaft den Rang abzulaufen.

Aber nicht nur die Union kann solche Machtmenschen vorweisen, sondern auch andere. Man denke nur an die SPD, wo ein Oskar Lafontaine Rudolf Scharping die Macht entrang, um später von Gerhard Schröder kalt gestellt zu werden. Willy Brandt scheiterte nicht zuletzt an Herbert Wehner – und Kurt Beck jüngst an Franz Müntefering. Althaus steht angesichts solch blutiger politischer Bühne, auf der er sich nun ausdrücklich zurückmeldete, so schlecht nicht da, denn er war bis zur Selbstverleugnung loyal gegenüber seinem Ziehvater Bernhard Vogel und harrte dessen altersbedingten Abgangs, sicherte seine Macht auch nach dem Sprung an die Spitze relativ geräuschlos, sorgte weitsichtig dafür, dass ernsthafte Konkurrenten gar nicht erst entstehen konnten (was seiner Partei aber durch den Skiunfall ihres Vormannes möglicherweise noch zum Verhängnis werden könnte).

Und dennoch: Auch er hat nie einen Zweifel gelassen, dass er Hindernisse bei der Durchsetzung seiner Ziele rigoros zu überwinden versteht. War er als stellvertretender Leiter der polytechnischen Oberschule im thüringischen Geismar so angepasst gewesen, dass man ihn noch 1989 der »Medaille für hervorragende Leistungen bei der kommunistischen Erziehung in der Pionierorganisation Ernst Thälmann« in Gold für würdig hielt und zum letzten Pädagogischen Kongress der DDR delegierte, vollzog er nach der Wende eine eigene um 180 Grad. Zum Kreisschulrat und später zum zuständigen Dezernenten in Heiligenstadt geworden, verbot er die FDJ, die Pioniere, die Jugendweihe und das Fach Staatsbürgerkunde in seinem Verantwortungsbereich. Zugleich entließ er all jene aus den Schulleitungen, die er aus DDR-Zeiten für belastet hielt – gewissermaßen seine »Leichen« auf dem Weg nach oben.

Dieter Althaus hält sich für unentbehrlich für das Gedeihen Thüringens, wie er es versteht. Und nimmt dafür schon mal auch in Kauf, am Rande der Landesverfassung zu wandeln. Mehrfach musste das Verfassungsgericht seine Pläne stoppen; Unrechtsbewusstsein entwickelte er daraus aber nicht, sondern schüttelte die höchstrichterlichen Rügen mit einem Achselzucken ab. Ganz so wie jetzt nach dem Unfall vom Neujahrstag jedes Nachdenken über dessen Ursache und Folgen. Althaus kann daran eine eigene Schuld nicht erkennen, leugnete sie erst gar und zieht sich nun auf das offizielle Gutachten zurück, aus dem sich ergibt, »dass ich Schuld trage« – wobei unüberhörbar seine andere Auffassung mitschwingt.

Für ihn war die an den Folgen des Zusammenstoßes gestorbene Beata Christandl vermutlich auch nicht mehr als ein Hindernis, dass an die Stelle der Skipiste, auf der er unterwegs war, nicht hingehörte. Und Hindernisse auf seinem Weg duldet Dieter Althaus nicht.

One Reply to “Dieter Althaus duldet kein Hindernis auf seinem Weg”

  1. Freilich ist es „Glück im Unglück“ für Althaus, der „richtigen“ Partei anzugehören. Oder wer glaubt wohl ernsthaft, daß etwa einem Oskar Lafontaine bei einem ähnlichen tragischen Unfall mit Todesfolge die bürgerliche Journaille auch nur den Hauch einer Chance gelassen hätte, auf die politische (Kampfes)-Bühne zurückzukehren. Althaus hingegen wurde von der Bild-Zeitung aber mit exklusiver Hofberichterstattung „aufgepäppelt“.

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