Nordkorea und das irakische Menetekel

Die Brüskierung der Weltgemeinschaft durch Nordkoreas jüngsten Atombombenversuch ist – was nur wenige Kommentatoren erwähnen – eine zumindest indirekte Folge der Politik des früheren US-Präsidenten George W. Bush. Das macht den Nukleartest nicht besser, aber verständlicher – was zu bewirken vermöchte, eine Lösung des Problems nicht durch Fortsetzung und Verschärfung des gescheiterten Bush-Kurses, sondern durch ein tatsächliches »change«, das der neue Präsident Obama allerdings auch diesbezüglich noch nicht herbeigeführt hat.

Zwar hat sich George W. Bush gegenüber dem »Schurkenstaat« Nordkorea bei weitem nicht so aggressiv verhalten wie gegenüber Irak – schließlich ging es im Fernen Osten nicht um Öl, doch mit dem Irakkrieg führte er dem Regime in Pjöngjang anschaulich vor Augen, was ihm drohe, wenn es – wie eben Irak – nicht über eine Abschreckungswaffe verfügt, die die USA als eine Bedrohung auffassen. Nordkoreas pseudo-kommunistische Führung will natürlich nicht unter einem schwebenden Damoklesschwert regieren, was man nur dadurch glaubt verhindern zu können, dass man selbst ein solches in Stellung bringt – in Form eigener Atomwaffen. Und verhielt sich damit nicht anders als Israel, das sich so gegen arabische Angriffsgelüste sichern will, nicht anders als Indien und Pakistan, die beide den jeweils anderen Staat auf diese Weise in Schach zu halten versuchen. Und so wie es bei diesen Ländern, die die Nuklearwaffe als Lebensversicherung betrachten, bisher nicht gelungen ist, sie ihnen durch Verhandlungen und diplomatische Einigung als überflüssig darzustellen, vielmehr nun auch noch droht, dass auf Israels Bombe demnächst Iran mit einer eigenen antwortet, so wird auch Nordkorea sein schwer, weil um den Preis massenhafter Verarmung der Bevölkerung errungenes Faustpfand nicht aus der Hand geben, solange das irakische Menetekel an der Wand steht.

Dass Pjöngjang dazu grundsätzlich nicht bereit sei, lässt sich an der Geschichte des bereits seit zwei Jahrzehnten schwelenden Konflikts nicht belegen. Zwar hat Nordkorea sein Atomprogramm immer vorangetrieben, aber auch immer ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft erkennen lassen. So erklärte es sich im Herbst 2005 zur Aufgabe seines Atomprogramms, was allerdings die USA und ihre Verbündeten kaum honorierten, worauf ein Jahr später der erste nordkoreanische Nukleartest stattfand. Wieder ein Jahr später ließ sich das Land die Schließung seines Atomzentrums abhandeln und sprengte medienwirksam sogar einen Reaktor, doch »Schurkenstaat« mit allen daraus drohenden Konsequenzen blieb Pjöngjang dennoch.

Nun mag man aus vertretbaren Gründen ein solches »Rating« für richtig halten, erfolgreiche Politik darauf aufbauen kann man hingegen nicht. Dass das Regime unter Kim Jong Il immer wieder von früheren Zusagen abrückte, hat eben auch damit zu tun, dass ihm der vereinigte Westen nie das Existenzrecht garantieren mochte. Das mag ihm angesichts der Realität in der »Koreanischen Demokratischen Volksrepublik« schwer fallen, aber wer berechtigte Forderungen nach atomarer Abrüstung unmittelbar mit solchen nach Abdankung der über die Nuklearpotenz verfügenden Clique verbindet, muss sich nicht wundern, dass er erfolglos bleibt.

Politik wird gern als Kunst des Möglichen definiert. Die westliche Linie gegenüber Nordkorea ist seit Jahren allein von Unmöglichkeiten bestimmt und hat darum – nicht die Hauptschuld, aber – ein gerüttelt Maß an eigener Verantwortung daran, dass wir derzeit so dicht an einem atomaren Schlagabtausch sind wie seit langem nicht.

One Reply to “Nordkorea und das irakische Menetekel”

  1. Selbst die Nachbarn – mit Ausnahme von Südkorea versteht sich -scheinen den doch wohl eher sehr hypothetischen „atomaren Schlagabtausch“ weniger zu fürchten als eine „Wiedervereinigung“. Und vielleicht braucht dieses menschenverachtende System nicht nur dringend Devisen aus Waffenhandel sondern in erster Linie gerade die „Bedrohung“, die die Bevölkerung den bizarren Personenkult und die trostlosen Lebensverhältnisse aushalten lässt ? Und wieder hofft man vergeblich auf die Völkergemeinschaft, in der jeder nur sich und seine Interessen im Visier hat.

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