Obama trifft Merkel – an ihren empfindlichen Stellen

Es war eine »Güstrower Kulisse«, in der Angela Merkel heute Barack Obama in Dresden begrüßte. Man erinnert sich: Als Helmut Schmidt 1981 von Erich Honecker in Güstrow empfangen wurde, waren die Straßen menschenleer wie nie, und der Bundeskanzler spazierte durch eine Gespensterstadt. Ganz ähnlich sah es heute in Dresden aus – nur mit einem Unterschied: Obama spazierte nicht durch die Elbestadt; er vermied es geradezu, ihren Boden auch nur zu betreten. Selbst die kurze Strecke zwischen dem Schlosshof, wo eine Pressekonferenz stattfand, und der Frauenkirche, die er eigentlich zu Fuß zurücklegen wollte, fuhr er mit dem Auto, in dem er postwendend nach Verlassen des Gotteshauses auch wieder verschwand – die Kanzlerin und ihr Gefolge einsam auf dem leeren Platz vor der Kirche zurücklassend.

Natürlich sind die Hintergründe der vergleichbaren Bilder unterschiedlich. Honecker wollte in Güstrow vermeiden, dass dem westdeutschen Bundeskanzler ein ähnlich herzlicher Empfang durch die Bevölkerung bereitet würde wie 11 Jahre zuvor Willy Brandt in Erfurt. Gerade solchen Jubel sehnte Angela Merkel in Dresden herbei, um sich in ihm an der Seite des Präsidenten sonnen zu können, wobei sie – schon ganz Staatsfrau – total verdrängte, dass die in der Altstadt zugelassene Bevölkerung handverlesen und überprüft war, also wenig mit dem Volk zu tun hatte. Genau für eine solche Inszenierung aber stand Obama nicht zur Verfügung. Er hat seinen Wahlkampf hinter sich und denkt gar nicht daran, für Wahlkämpfe anderswo als Grüßonkel zur Verfügung zu stehen. Allein, dass man genau dies von ihm in Deutschland erwartete, verrät etwas von der Provinzialität hiesiger Politik, für die viel wichtiger ist, welche Bilder man für den Wahlkampf produzieren kann, als der sachliche Ertrag eines solchen hochrangigen Besuches.

So war denn der Unterschied zwischen dem Staatsmann Obama und der Kanzlerin Merkel überdeutlich. Wie die jüngst von ihr zitierte »schwäbische Hausfrau« stand sie neben ihm, und beide wussten nicht so recht, warum eigentlich. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz war die Distanz unübersehbar, aber nur von Obama war halbwegs Konkretes zu vernehmen – zu den Differenzen hinsichtlich Guantanamos, der Atomambitionen Irans, bei den Klimazielen, während Merkel die Meinungsverschiedenheiten mit wohlfeilen Formulierungen zuzukleistern versuchte. Da wirkte es beinahe wie eine Mitleidsgeste, dass der Präsident nach dem kurzen Händedruck am Ende flüchtig Merkels Schulter streifte – so wie man auf solche Weise etwa bei der Beerdigung eines entfernten Bekannten die Fremdheit zu den Hinterbliebenen überspielen möchte. Und die Kanzlerin? Sie verstärkte den Eindruck einer kleingeistigen Inszenierung noch dadurch, dass sie auf die wenigen Dresdener auf dem leergefegten Platz vor der Frauenkirche, die ihretwegen eigentlich gar nicht gekommen waren, zuging, um doch noch das Bad in der Menge zu nehmen – und sei es allein.

In Buchenwald später machte sie eine bessere Figur – wohl, weil sie im Hintergrund blieb. Ihr, die in ihrer Amtszeit das nazistische Konzentrationslager noch nicht besucht hat, hätte man die Nachdenklichkeit und Erschütterung, die Obama zeigte, auch kaum abgenommen. Dafür hat der Präsident in Buchenwald einige Maßstäbe gerade gerückt – in einem Jahr, in dem fast nur noch darüber reflektiert wird, ob die vor 20 Jahren verschwundene DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht und im Pulverdampf der darüber geschlagenen Schlachten fast völlig verschwindet, dass 2009 auch für die 60-jährige Wiederkehr des Beginns des faschistischen Vernichtungskrieges steht, zu dem das Grauen der Konzentrationslager als organischer Bestandteil gehörte.

3 Replies to “Obama trifft Merkel – an ihren empfindlichen Stellen”

  1. Mir hatte spontan gefallen, dass Obama aus ganz persönlicher Betroffenheit – traumatische Berichte seines Großonkels – Buchenwald besucht hat. Inzwischen ist mir allerdings klar geworden, dass dies politisch wohl ein Signal an den Iran, die Holocaust-Leugner, war: „Es hat das gegeben, mein Großonkel hats gesehen“. Finde ich gut.

  2. Die „schwäbische Hausfrau“ Angela Merkel konnte eben besser mit dem „texanischen Cowboy“ George W. Bush und dessen Politik der außenpolitischen Aggression und internationalen Destruktion.

    Jetzt kommt aber auch die Quittung dafür, daß Obama bei seinem Deutschlandbesuch noch als Präsidentschaftskandidat im vergangenen Jahr in Berlin von Bundeskanzlerin Merkel brüskiert wurde.

  3. „In Buchenwald später machte sie eine bessere Figur“ –
    ??
    Wenn man sich das verlinkte „Zeit“-Video genau ansieht, sieht man, daß Frau M. dort eine ganz merkwürdige Figur macht.
    In der ersten Sekunde den Umschnitts von „Obama total“ auf „Obama mit Merkel im Hintergrund“ hat sie ein ganz unpassendes Grinsen im Gesicht, das sie dann blitzartig wegwischt.
    Dieses Verhalten beim „Ertapptsein“ wirkt auf mich äußerst unangenehm.

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