Seine Heiligkeit Das Eigentum – zwischen Ackermann und Emmely

So schnell wird Kaiser’s den Fall Emmely nicht los. Nachdem das Berliner Landesarbeitsgericht die Sache mit der Supermarkt-Kassiererin, die angeblich herrenlose Pfandbons im Wert von 1,30 Euro bei einem Privateinkauf eingelöst haben soll, letztinstanzlich entscheiden wollte, kommt es nun doch zu einer Revisionsverhandlung beim höchsten deutschen Arbeitsgericht. Offensichtlich hat man dort erkannt, dass die bisherige Rechtsprechung, die vom ehernen Grundsatz der Heiligkeit des Eigentums ausging und jeden Verstoß dagegen als schwere, mithin drakonisch zu ahnende Sünde betrachtete, hohltönend wird, wenn zugleich zum Gewohnheitsrecht wurde, dass Banker das ihnen anvertraute Eigentum anderer keineswegs als heilig, sondern lediglich als willkommene Spielmasse von Geschäften zum eigenen Nutzen und mit dem Risiko des Eigentumsverlustes der ihnen Vertrauenden ansehen.

Was Bertolt Brecht vor fast 100 Jahren voraussah, dass nämlich die Gründung einer Bank weit lukrativer ist als ihre Beraubung, wurde inzwischen zum Allgemeingut – ungeachtet dessen, dass der kriminelle Akt, der sich im einen wie anderen Fall vollzieht, einmal mit brutaler Gewalt und das andere Mal mit Samthandschuhen, aber deshalb nicht weniger verbrecherisch vollzogen wird. Waren Banken zunächst als Institute gedacht, die gegen eine kleine Gebühr das Geld ihrer Kunden verwalten, haben sie sich inzwischen längst zu Syndikaten gemausert, das das Geld der Kunden nur insofern interessiert, als es ihnen die Möglichkeit gibt, selbst damit Geld zu verdienen, und zwar ohne Rücksicht auf die Interessen und Wünsche jener, die ihnen das Geld anvertrauten.

Es genügt ein wenig gesunder Menschenverstand, um zu begreifen, dass den horrenden Gewinnen der Finanzbranche, die dazu nicht einen einzigen produktiven Handschlag tut, irgendwo ebenso horrende Verluste gegenüberstehen müssen; es sind zuerst die Verluste jener, die den Banken vertrauensselig und im Glauben an die versprochene Dividende ihr Geld übergaben, dann aber die Einbußen von uns allen als Steuerzahler, weil der Staat es sich nicht leisten zu können glaubt, die Akteure auf dem Finanzmarkt dessen Regeln zu unterwerfen und sie ihre Händel selbst austragen zu lassen – mit allen sich daraus ergebenden Folgen. Natürlich sind das oft auch Folgen für die Arbeitsplätze und die darauf angewiesenen Familie, aber diese Folgen heilt man nicht, indem man den Zockern zusätzliches Steuergeld in den Rachen wirft, sondern indem man den Betroffenen hilft – zum Beispiel über die Arbeitslosenversicherung

Stattdessen folgt die Regierung den Weisungen aus der Deutschen Bank, wie Josef Ackermann jüngst im HRE-Untersuchungsausschuss freimütig schilderte; er habe in Telefonaten mit der Bundeskanzlerin und ihrem Finanzminister die Rettung der Hypo Real Estate durchgesetzt – zum eigenen Vorteil, wie sich zeigte und zu Lasten des Bundeshaushalts, für den wir alle aufkommen müssen. Noch schlimmer jedoch ist, dass die Steuerung des so genannten Rettungsschirms für die Banken diesen allein überlassen wurde; an keiner Stelle hat der Staat die Möglichkeit, in die Seile zu greifen und den Kurs in seinem Sinne zu korrigieren. Faktisch hat er also nur das frische Geld beschafft, das die gescheiterten Bankmanager brauchten, um ihre verderblichen Geschäfte fortsetzen zu können; die bereits wieder stolz verkündeten Gewinnmargen sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache.

Inwieweit das Bundesarbeitsgericht diesen gravierend veränderten Umgang mit Eigentum durch die Banken und ihre Manager künftig auch bei Eigentumsdelikten dagegen verschwindend geringer Größenordnung in Unternehmen berücksichtigt, bleibt freilich abzuwarten. Die Kaisers’-Manager jedenfalls haben den Paradigmenwechsel in der Eigentumsfrage noch nicht erkannt und nun sogar beim eigenen Betriebsrat ihre Sicht der Dinge durchgesetzt, indem sie ihn solange bearbeiteten, bis er zu Kreuze kroch und Emmely die Solidarität entzog. Ein »Kaufboykott«, wie er zur Unterstützung der Kassiererin angeregt wurde, sei für die Kaiser’s-Beschäftigten ein »Angriff auf ihre Arbeitsplätze«, schwenkte der Betriebsrat auf die Linie der Unternehmensführung ein. Und begriff damit nicht, dass er so nur die Gutsherrenmethoden seines Managements, die sich schon bald gegen weitere Beschäftigte richten können, unterstützt. Um das zu verhindern, sollte man nun »Kaiser’s« vielleicht erst recht boykottieren.

One Reply to “Seine Heiligkeit Das Eigentum – zwischen Ackermann und Emmely”

  1. Mit dem „gesunden Menschenverstand“ ist das so eine Sache. Leider ist dieser nicht immer so gesund und funktionstüchtig, wie er eigentlich sein sollte. Das liegt aber nicht unbedingt nur an den einzelnen Menschen selbst, sondern zum wahrscheinlich sogar größeren Teil an den gesellschaftlichen Begleitumständen im allgemeinen und den je persönlichen sozialen und ökonomischen Lebens- und Arbeitsbedingungen im besonderen.

    Damit die „gesunde“ Meinungsbildung und ungetrübte politische Urteilskraft nicht durch interessenorientierte Manipulation noch mehr behindert wird, bleibt nur, weiter gesellschaftskritische Aufklärungsarbeit zu leisten.

    Dann nämlich wäre die von dem seinerzeitigen Bundespräsidentenkandidaten der Linkspartei, Peter Sodann, erhobene Forderung gegenüber Deutsche Bank-Chef Ackermann in der medialen Empörung nicht gleich als abwegig und populistisch bezeichnet worden:
    Ackermann und Co. „hinter Gitter“ und Freiheit für Emmely und die vielen anderen dem „heiligen Eigentum“ geopferten Menschen.

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