Vorauseilende Zensur im Deutschen Historischen Museum

Gerade weil jüngst so viel von Meinungsfreiheit, Bürgerrechten und Zivilcourage die Rede war, ist die Geschichte von der Zensur bzw. Selbstzensur einer Ausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM) mehr als nur eine Marginalie. In der Ausstellung »Fremde? Bilder von den ›Anderen‹ in Deutschland und Frankreich seit 1871« wurde auf einer Tafel der Text »Während innerhalb Europas die Grenzen verschwinden, schottet sich die Gemeinschaft der EU zunehmend nach außen ab. Die Festung Europa soll Flüchtlingen verschlossen bleiben.« durch eine neue Fassung ersetzt: »Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fördert seitdem staatlicherseits die Integration von Zuwanderern in Deutschland.« Diese nicht nur entschärfte, sondern sogar direkt entgegengesetzte Formulierung erregte einiges Aufsehen und führte zum Zensurvorwurf gegenüber dem für das Museum zuständigen Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Mancher sieht – vielleicht um Neumann zu entlasten – darin jedochr die Weiterwirkung des so genannten Königsmechanismus, einer besonders eleganten Form von Selbstzensur aus monarchistischer Zeit.

So weit zurück muss man gar nicht gehen, denn die hier offensichtlich geübte Praxis war auch der gerade noch einmal feierlich auf den Müllhaufen der Geschichte geworfenen sozialistischen DDR inhärent. Und wenn man sich die Rechtfertigung des DHM-Direktors Hans Ottomeyer ansieht, dann hat er nicht nur im Geist die bis 1989 an seinem Haus geübte Praxis geradezu kongenial nachvollzogen, sondern sie auch buchstabengetreu umgesetzt. Er erklärte nämlich zu dem Vorgang:

»Wie immer bei solchen Terminen habe ich dem zuständigen BKM-Referat die Ausstellungstexte zur Verfügung gestellt. Berechtigte Rückfragen des zuständigen Referats zum Text habe ich zum Anlass genommen, in eigener Verantwortung Modifizierungen vorzunehmen. Für die entsprechenden Hinweise bin ich dankbar (…) Staatsminister Neumann hat in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle gespielt.«

Früher wurden immer »bei solchen Terminen« der zuständigen Abteilung des Zentralkomitees der SED »die Ausstellungstexte zur Verfügung gestellt«. Von dort kamen dann in der Regel aus Sicht der Parteikontrolleure »berechtigte Rückfragen … zum Text« – und die wurden selbstverständlich »zum Anlass genommen, in eigener Verantwortung Modifizierungen vorzunehmen«. Und natürlich waren die damaligen Museumsmitarbeiter »für die entsprechenden Hinweise … dankbar«, entgingen sie so doch späterer Maßregelung mit all ihren negativen Folgen.

Man kann daraus lernen: Revolutionen kommen und gehen, aber der »Königsmechanismus«, profaner gesagt: die Schere im Kopf bleibet bestehen!