Parteijournalisten neuen Typs – zum Beispiel die Lafontaine-Vernichter

Wladimir Iljitsch Lenin war es, der vor der russischen Oktoberrevolution eine Zeitung gründete und für sie eine eigene Theorie erfand – die von der »Presse neuen Typs«. Das war keine Weiterentwicklung des Journalismus, wie leninistische Theoretiker glauben machen wollten, sondern eher die Kreation eines Pressestellen-Journalismus, der vor allem Reklame und Marketing betreibt und sich – ganz anders als das meiste aus Lenins Theorienladen – nicht nur bis heute gehalten, sondern sogar noch beträchtlich ausgebreitet hat. So wie Lenin damals die Zeitung als Mittel verstand, für seine bolschewistische Partei zu werben, mit ihr die Leserschaft aufzuklären, um sie für die aus seiner Sicht notwenigen Handlungen zu gewinnen – er betrachtete die Presse als »kollektiven Agitator, Propagandisten und Organisator«, so gibt es heute kaum ein Wirtschaftsunternehmen, Ministerium oder sonstige Behörde, die nicht zum gleichen Zweck eine umfängliche Presse- und Werbeabteilung unterhalten. Nicht um einen unabhängigen Journalismus geht es ihnen, sondern – wie eben auch Lenin – um dessen Ausrichtung auf ihre eigenen Interessen.

Die so genannten seriösen Medien hierzulande mühen sich durchaus, den Verlockungen solchen Reklamejournalismus zu widerstehen, auch wenn das aus ökonomischen wie politischen Gründen immer schwerer fällt. Besonders dann, wenn ein Vorgang beschrieben wird, der im Widerspruch zum »Mainstream« steht, ist zumindest der indirekte, manchmal aber auch der direkte Druck gewaltig, die Fakten ein wenig am vorherrschenden Meinungsbild auszurichten. Der eine kommt dem nur zögernd und mit sichtlichem Unbehagen nach, der andere ist schon weiter und findet vielleicht sogar Gefallen an einer Berichterstattung, die in seinem Umfeld, das nicht unbedingt die Leser, Hörer und Zuschauer sind, auf allgemeines Wohlwollen stößt.

Eins der Themen, bei dem das besonders augenfällig wird, ist all das, was unter »Links« firmiert. Hier ist die mediale Ablehnung weitgehender Konsens, und der Journalist, der kräftig in diese Kerbe haut, kann aus Sicht seiner Chefs und erst recht der Geldgeber kaum etwas falsch machen. Man muss da in diesen Tagen gar nicht zuerst an Oskar Lafontaine denken, sondern wurde über das Muster jüngst am Beispiel des gerade zum SPD-Vorsitzenden gewählten Sigmar Gabriel belehrt. Bei »Zapp« plauderte der Redakteur der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung«, Michael Berger, aus, dass man in der kurzen Zeit Gabriels als Ministerpräsident Niedersachsens irgendwann fand, dass dieser sich zu oft als »Fanfare« produziert hätte. Die offensichtlich inhaltlich kaum begründete Reaktion: »Wir haben dann irgendwann in der Zeitung des Schalter umgelegt und gesagt: Nun kritisieren wir ihn mal ordentlich!«

Um wieviel mehr gilt das für Lafontaine, der natürlich auch kräftig die Fanfare bläst – und dazu noch aus der falschen Richtung und mit einem aufwieglerischen Sound. Da ist man sich kaum zu schade, der Leninschen Theorie – ohne sie natürlich zu kennen – konsequent zu folgen. Die Medien werden – bis auf wenige Ausnahmen – zum kollektiven Agitator, Propagandisten und Organisator einer Kampagne gegen den Feind, der beim russischen Revolutionär der Klassenfeind war, was bei ihnen wohl Lafontaine gleichermaßen ist, wenn auch mit verändertem Vorzeichen. Für die SED-Propaganda war jahrelang Franz Josef Strauß der Prototyp des reaktionären Nationalisten und Imperialisten. Für die bürgerlichen Medien spielt heute Oskar Lafontaine diese Rolle – als Prototyp des umstürzlerischen, so vaterlands- und prinzipienlosen Systemveränderers. Er kann tun oder lassen, was immer er will; stets sucht man nach dem Haar in der Suppe, nach einer Interpretation, die die Fakten irgendwie gegen ihn wendet.

Auf sogenannte seriöse Medien ist das keineswegs begrenzt. Der »Spiegel« hat sich schon lange aus der Kreis der so geadelten Blätter verabschiedet und ist zur Bild-Zeitung für Intellektuelle mutiert; jetzt müht sich die »Süddeutsche Zeitung«, dem Hamburger Magazin nachzueifern. Jedenfalls war ihre Berichterstattung über Oskar Lafontaine an Böswilligkeit allenfalls noch von »Bild« und eben vom »Spiegel« zu überbieten. Immerhin hat sie noch Unbehagen verspürt und eine Rechtfertigung formuliert, aber gerade in dieser wurde auch der Unterschied deutlich, den man zwischen einem unakzeptablen Linken wie Lafontaine und einem »geläuterten« SPD-Mann wie zum Beispiel Peter Struck macht, wenn es um politischen Anstand geht. Bei Lafontaine hingegen dient selbst die mit Krokodilstränen getränkte Betroffenheitsgeste zu einem neuen Angriff auf die so tief verhasste Linkspartei – indem man sich nun Bodo Ramelow wegen seines dummen Kommentars zu Lafontaines Krebserkrankung vornimmt. Welch Glück, mag da mancher gedacht haben, wir müssen nicht abrüsten, sondern brauchen nur die Geschütze auf das neue Ziel zu richten. Sie haben den Lenin verstanden, auch wenn sie ihn nie lasen.

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