In Afghanistan wird für einen korrupten Wahlfälscher gestorben

Ein wenig mutet der viel behauptete Fortschritt der Bundeswehr-Strategie für Afghanistan wie ein Plagiat bei Orwell an. Man behauptet einfach, Krieg sei Frieden – und schon soll alles viel besser sein. In Wirklichkeit jedoch unterscheidet sich das, was heute der Bundestag zum Afghanistan-Einsatz beschloss, kein Deut von den früheren Beschlüssen. Wieder wird die Truppenstärke aufgestockt – in der Hoffnung, das könne alles zum Besseren wenden. Da war es für die SPD, die in ihrer Regierungszeit auch nie etwas anderes getan hat, leicht zuzustimmen.

Nur in einem gibt es tatsächlich eine Änderung. Nach über dreißig sinnlosen Toten unter den deutschen Soldaten und vor allem nach dem Massaker von Kundus, bei dem Dutzende afghanische Zivilisten starben, kann die Mär vom »humanitären Sicherungseinsatz« nicht mehr aufrechterhalten werden. Jetzt ist jedermann klar – und wird in der Sache auch nicht mehr bestritten, nur in der Wortwahl mühselig verschleiert, dass die Bundeswehr in Afghanistan Bürgerkriegspartei ist. Dort kämpfen zwei Seiten, die beide an die Macht und damit an die Pfründe wollen, gegeneinander – und keine von ihnen um demokratische Verhältnisse, für die Rechte der Frauen oder allgemeine Schulbildung. Auf eine dieser Seiten hat sich die Bundeswehr geschlagen, auf die ihres Zöglings Karsai, der zwar gern die Euro und die Soldaten nahm, ansonsten aber ein korruptes Regime etablierte, das sich nur durch Wahlfälschung an der Macht halten konnte. Weder rügten Bundesregierung und NATO seine vieltausendfache Stimmenmanipulation noch die kürzliche Entmachtung der Wahlkommission, die den Betrug – folgenlos – aufgedeckt hatte. Es geht am Hindukusch um strategische Interessen gegenüber Russland und China, um Einflusssphären und Stützpunkte; dafür müssen tausende Zivilisten und auch deutsche Soldaten sterben – und für den Machterhalt eines korrupten Wahlfälschers.

Volker Braun, 1939 in Dresden geboren, ist Schriftsteller, Lyriker, Theaterautor. Zu seinen Werken gehören "Die Übergangsgesellschaft" und "Unvollendete Geschichte". Das Gedicht "Das beschädigte Parlament" hat er nach den Ereignissen am Freitag im Bundestag verfasst. 
Volker Braun, 1939 in Dresden geboren, ist Schriftsteller, Lyriker, Theaterautor. Zu seinen Werken gehören „Die Übergangsgesellschaft“ und „Unvollendete Geschichte“. Das Gedicht „Das beschädigte Parlament“ hat er nach den Ereignissen am Freitag im Bundestag verfasst.
Quelle: Berliner Zeitung vom 2. 3. 2010

Natürlich weiß das jeder in der Bundesregierung wie in der vermeintlichen Oppositionspartei SPD, und deshalb ist es umso schlimmer, dass immer neue Tote in Kauf genommen und dann hierzulande mit Krokodilstränen zu Grabe getragen werden. Und weil man das weiß, stört der einsame Protest der Linkspartei umso mehr – zumal er in Übereinstimmung steht mit der Mehrheitsmeinung im Volke. Ziemlich hilflos mutet daher das Demonstrations- und vor allem Redeverbot für die Linke im Bundestag an. Die Öffentlichkeit sollte keine Gegenmeinung, keine Argumente gegen den Krieg  hören; auch das ist durchaus von Orwellscher Qualität. Man löscht die Stimmen der Andersdenkenden einfach aus und glaubt so, die unangenehmen Tatsachen aus der Welt geschafft zu haben. Doch spätestens bei der Verladung der nächsten Zinksärge mit dem Bundesadler meldet sich die bittere Wahrheit wieder zu Wort; es sei denn, man verschwiege künftig auch die Opfer auf dem Hindukusch-Schlachtfeld, wie es Afghanistans »Regierung« wohl mit Zustimmung ihrer Schutzmächte bereits verfügte. Es würde nicht überraschen, sondern läge in der Logik dieser verfehlten Politik.