Kohl und sein Schreiber

Es war wohl nur ein Zufall, aber ein sehr symbolischer. Am gleichen Tag, als Helmut Kohl in Ludwigshafen mit großem Pomp seinen 80. Geburtstag nachfeierte, wurde im nicht allzu weit entfernten Augsburg Karlheinz Schreiber zu acht Jahren Haft verurteilt. Jener Schreiber also, der eines der Werkzeuge des Altkanzlers und seiner Partei beim Spendenskandal war, der die Republik schon bald nach Kohls Abwahl 1998 einige Jahre beschäftigen sollte. Während dem Chef vom Laudator, einem ehemaligen Bundespräsidenten, bescheinigt wurde, dass sein »Charakterbild in der Geschichte« schwanke – »und zwar auf die positive Seite«, bescheinigte das Augsburger Landgericht dem Gesellen für die Schmutzarbeit, »gierig, skrupellos und nur auf den eigenen Vorteil bedacht« gewesen zu sein. Vor zehn Jahren hatte das noch ganz anders geklungen. Da waren zwar Schreibers trickreiche Winkelzüge längst allbekannt, aber noch bewahrten ihn viele einflussreiche schützende Hände vor der verdienten Strafe.

Es mag deshalb aufschlussreich sein, wie eng dcr jetzt verurteilte Karlheinz Schreiber damals noch mit der CDU und vor allem der CSU verbandelt war. Der folgende Beitrag erschien im »Neuen Deutschland« vom 25. 01. 2000.

Die Katze auf der heißen Mäusekiste

Lange vor der CDU machte die CSU mit Karlheinz Schreiber Geschäfte und geht auch heute nur zögernd auf Distanz

 Von Peter Richter

Der mit Haftbefehl gesuchte Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber, Schlüsselfigur im CDU-Spendenskandal, ist seit 20 Jahren Mitglied der CSU und ihren Führungsleuten aus gemeinsamen Geschäften bestens bekannt.

Merkwürdig leise agiert die bayerische Schwesterpartei der CDU im Spendenskandal. Nicht einmal die rüden Angriffe ihres Parteimitgliedes Karlheinz Schreiber an die Adresse Wolfgang Schäubles konnten die CSU zu klarer Stellungnahme veranlassen. Er nannte den CDU-Vorsitzenden einen Lügner, der Quatsch erzähle. In ein tiefes Loch wolle er ihn fallen lassen. Und überhaupt: »Ich sitze wie die Katze auf der Kiste mit den Mäusen. Und überlege mir, welche ich als erste fresse.«

Dennoch – für CSU-Generalsekretär Thomas Goppel ist Schreiber ein ehrenwerter Mann. Immerhin gehört er länger als zwei Jahrzehnte zum Kreisverband Landsberg, den Goppel leitet, ist dessen Duzfreund. »Warum«, so der Parteimanager, »soll ich dem die Freundschaft aufkündigen?« Selbst für des Waffenhändlers Flucht nach Kanada zeigte Goppel jüngst in einer Talkshow vollstes Verständnis: »Wenn er sagt, ich gehe nicht hin und stelle mich freiwillig, weil dann mein Betrieb sofort in Pfand genommen wird und all mein Vermögen gepfändet wird, dann ist das sein Recht.« Auch Max Strauß, Sohn des Ex-CSU-Chefs Franz Josef Strauß, nennt Schreiber einen »vernünftigen Mann«.

Bei Strauß und Co. immer mit am Tisch

Es sind nicht nur die 143OOO Mark, die Schreiber der CSU von Ende der 80er Jahre bis 1995 zukommen ließ und von denen Goppel 50000 Mark selbst direkt in Empfang nahm, die ihm einen guten Leumund bei den Christsozialen bescheren. Auch Max Strauß mag nicht allein an die 5,2 Millionen Mark denken, die er angeblich Schreiber verdankt. Mehr noch dürfte es das Wissen des Rüstungslobbyisten sein, das die CSU beunruhigt – hat er doch seit langem bei den Spitzen der Partei immer mit am Tisch gesessen und manches dunkle Geschäft mit ihnen und für sie abgewickelt. Als der heute 65-Jährige in den 70er Jahren in seinem Heimatort Kauferingen ein Unternehmen für Straßenmarkierungen leitete, war das nur noch der Nebenjob. Sein hauptsächliches Tätigkeitsfeld war längst der Lobbyismus für Waffenkonzerne oder – wie er es selbst nennt – »Landschaftspflege«.

Und die betrieb Schreiber bevorzugt bei CSU-Größen, die zudem am florierenden Waffengeschäft vor allem bayerischer Firmen interessiert waren. Die »Süddeutsche Zeitung« berichtete unlängst von einem Deal mit Saudi-Arabien aus dem Jahr 1980, als Strauß Kanzler werden wollte. Gegen günstige Ölkontrakte, die Millionen in CSU-Parteikassen spülen sollten, würde ein Bundeskanzler Strauß die Lieferung von Leopard-Panzern an das Wüstenland durchsetzen. Schreiber zog hinter den Kulissen die Fäden, ebnete die Wege – da scheiterte Strauß an den Wählern, und das Geschäft fiel ins Wasser.

Doch bei Strauß stand er weiter in hoher Gunst, und als dieser starb, waren Schreibers Kontakte bereits so vielfältig, dass er selbstständig weitermachen konnte. Er vermittelte für MBB den Verkauf von zwölf Hubschraubern, makelte für Airbus die Lieferung von Groß-Flugzeugen und setzte 1991 für Thyssen jenes Panzergeschäft mit Saudi-Arabien durch, das für die Augsburger Staatsanwälte den Hintergrund für die Millionenspende an die CDU auf dem Parkplatz im schweizerischen St. Margrethen abgibt. Obwohl damals in der Bundesregierung die Bedenken gegen das Geschäft überwogen, setzte Helmut Kohl die Lieferung von 36 »Fuchs«-Spürpanzern durch.

Bevorzugter Partner Schreibers in all diesen Geschäften war ein alter Bekannter aus Strauß‘ Zeiten: dessen einstiger Büroleiter Holger Pfahls, 1985 auf Empfehlung seines Ziehvaters zum Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und zwei Jahre später zum Staatssekretär im Verteidigungsministerium avanciert. Bis 1992 war er hier nicht zuletzt für Rüstungsexporte zuständig; ihm soll Schreiber allein 3.8 Millionen Mark Schmiergeld gezahlt haben. Inzwischen ist das CSU-Mitglied Pfahls – wie Schreiber – flüchtig.

Doch nicht nur Pfahls gehörte zu den Ansprechpartnern Schreibers, die er vor allem im Verteidigungsministerium fand. Er spendete für den Wahlkampf von Michaela Geiger, die dort seit 1993 Staatssekretärin war. Erich Riedl, ebenfalls langjährig in dieser Funktion, soll von Schreiber eine halbe Million bekommen haben. Mit Monika Hohlmeier, Kultusministerin im Kabinett Stoiber, betrieb er mehrere Jahre eine gemeinsame Firma in Kanada. Er hatte Kontakte zum bayerischen Wirtschaftsminister Wiesheu, zum bayerischen Finanzminister Faltlhauser und zur Hanns-Seidel-Stiftung der CSU, für die er gar in Costa Rica eine Außenstelle einrichten sollte.

Solange Schreiber über die CSU schweigt …

All dies schuf gegenseitige Abhängigkeiten, die die CSU jetzt zum Wohlverhalten gegenüber Schreiber zwingen. Solange er schweigt, ist die Botschaft der Verteidigungsreden von Goppel und Strauß junior, hat er von uns nichts zu befürchten – und da stört auch nicht, dass Schreiber immerhin der Steuerhinterziehung, der Bestechung, der Beihilfe zu Betrug und Untreue bezichtigt wird. Auf 38 Seiten hat die Staatsanwaltschaft in Augsburg Schreibers Sündenregister aufgelistet; allein die Steuerschuld soll sich auf 23,5 Millionen Mark belaufen. Und ihm rät Goppel zwar angeblich am Telefon – denn beide plauschen hin und wieder über den Atlantik hinweg – sich zu stellen, doch zugleich signalisiert er ihm Verständnis für sein Wegbleiben, »weil er von der Gesellschaft verurteilt« worden ist.

Tückisch allerdings wird die CSU. wenn Schreiber doch plaudert. Kürzlich warf er seiner Partei vor, Spenden über 20000 Mark zu stückeln, was unzulässig ist. und die Namen der fiktiven Spender aus Todesanzeigen entnommen zu haben. Das erklärte die CSU sofort zu Lügen, weigerte sich allerdings, ihre Kassen von unabhängigen Prüfern untersuchen zu lassen. Goppel rügte nun gar seinen Duzfreund, er habe ein öffentliches Klima von Verdächtigungen und Diffamierungen erzeugt. Schreiber deshalb aus der CSU auszuschließen, erwägt die Partei dennoch nicht, allenfalls werde sein Kreisverband darüber nachdenken. Den Stein der Weisen fand schließlich Goppel: Eigentlich ruhe Schreibers Mitgliedschaft ja schon. Schließlich lebe er seit Jahren im Ausland und könne seine Mitgliedsrechte gar nicht wahrnehmen. Noch Tage vorher hatte der Generalsekretär darin keine Beeinträchtigung gesehen, denn Schreiber entrichte pünktlich seine Beiträge.

So sitzt die Katze weiter auf der Kiste, will zwar – wie Schreiber inzwischen richtig stellte – die Mäuse nicht mehr fressen, ihnen aber beim Spielen zusehen. Und bleibt damit selbst auch im Spiel…