Auf Sarrazin kann Sarkozy folgen

Es kann schon sein, dass Nicolas Sarkozy aus Zorn über die Kritik an der französischen Vertreibungspolitik gegenüber den Roma übers Ziel hinaus schoss und neben der eilig gewährten Solidarität des nicht sehr honorigen italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi auch jene der angeseheneren Angela Merkel erzwingen wollte, aber zu einem solchen Husarenstreich muss er sich irgendwie ermutigt gefühlt haben. Vielleicht hat er ja die bundesdeutsche Politik in Einwanderungsfragen während der letzten Jahrzehnte genau analysiert und dabei festgestellt, dass zumindest die jetzt in Berlin regierende Koalition im Ressentiment gegenüber Ausländern von ihm nicht sonderlich weit entfernt ist.

Man erinnere sich zum Beispiel an das Jahr 1993, als die damalige schwarz-gelbe Regierung – mit williger Unterstützung der SPD – den Asylparagrafen des deutschen Grundgesetzes seiner Substanz beraubte, um einen weitere Zuzug von Ausländern nach Deutschland zu verhindern. Darauf folgten immer neue Verschärfungen der Einwanderungsregeln, Unterschriftenkampagnen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die Blockade humanerer Umgangsformen mit Flüchtlingen im EU-Rahmen.

Auch einige der Methoden, mit denen derzeit die französische Regierung den »Volkszorn« gegen die Roma schürt, könnte sich Sarkozy im Nachbarland abgeschaut haben. Anfang der 90er nutzte man die angesichts der Folgen der Vereinigung entstandene Verunsicherung in weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung dazu, eben einen solchen »Volkszorn« wenn nicht zu entfachen, so doch sich eskalieren zu lassen, bis Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen die Asylbewerberheime brannten. Dagegen ging man von Staats wegen weder mit klaren anti-ausländerfeindlichen Positionen noch mit den Mitteln des Rechts vor, sondern eliminierte den unbequem gewordenen Asylparagrafen faktisch aus der Verfassung.

Und gerade in diesen Tagen wird man den Verdacht nicht los, dass wieder verbreitete Unsicherheit in der Bevölkerung angesichts des Auseinanderklaffens von Arm und Reich in der Gesellschaft dazu genutzt werden könnte, einen sachfremden Sündenbock zu präsentieren, jene Ausländer, die man inzwischen für die eigene Profitmaximierung nicht mehr braucht und daher vielleicht loswerden will. Jahrelang zog die einheimische Industrie Vorteile aus den »Gastarbeitern«, später waren sie immer noch gut dafür, jene schmutzigen Arbeiten zu verrichten, für die sich Deutsche zu schade waren. Seit Hartz IV mit solcher Abstinenz ein Ende machte, werden Ausländer auch dafür nicht mehr gebraucht. Die Migranten haben ihre Schuldigkeit getan und sehen sich jetzt unverhohlenen Forderungen nach Zuwanderungsbeschränkung, nach »Vergrämung« durch schikanöse Behandlung und vielleicht bald nach einer »Rückführung« à la Frankreich gegenüber.

Statt die tatsächlichen Defizite bei der Integration entschlossen zu beseitigen, dazu die erforderlichen Mittel bereitzustellen und dann durchaus auch konsequent gegenüber Verweigerung vorzugehen, steht zu befürchten, dass auf Sarrazin auch hierzulande Sarkozy folgen könnte. Vor diesem Hintergrund klingen die deutschen Dementis zur Vereinnahmung der Kanzlerin durch den Präsidenten Frankreichs dann doch reichlich hohl.

One Reply to “Auf Sarrazin kann Sarkozy folgen”

  1. Hoffen wir, dass es nicht so kommt!
    Einige Leute scheinen ja begriffen zu haben, dass mit einer wirklichen Integrationspolitik (Kitas, Kindergärten, Ganztagsschulen, Sprachförderung) endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden müssen. Aber wenn man sieht, wofür Schwarz-Gelb bereit ist, Geld einzusetzen und wofür nicht, dann kann man verzweifeln.

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