Komplizenschaft mit dem Rechtsextremismus

(pri) Je mehr derzeit über die enge Verbindung der rechtsextremistischen Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) mit den deutschen »Verfassungsschutz«-Behörden bekannt wird, desto dringlicher stellt sich die Frage, wie in dieser offensichtlich engen Beziehung Koch und Kellner zusammenwirkten. Dieser Frage freilich suchen Sicherheitsleute wie Politiker tunlichst auszuweichen – durch einen ständig wachsenden Wust vermeintlicher Informationen, der mehr zu- als aufdecken soll.

 

Neu ist diese Methode nicht. Auf schon früher offenbar gewordene Konspirationen zwischen Rechtsextremisten und Sicherheitsbehörden wurde gern mit der verharmlosenden Alliteration »Pleiten, Pech und Pannen« reagiert und der daraus erwachsende kabarettistische Spott klaglos in Kauf genommen; Hauptsache, es fragte keiner nach. Jetzt verfängt – angesichts von mindestens zehn brutalen Morden – solch launige »Selbstkritik« nicht mehr. Nun spricht man, auch in den staatstreuen Medien, immerhin vom Versagen des Verfassungsschutzes – und lenkt auch damit vom Kern des Skandals ab. Denn es waren nicht Fehlleistungen und professionelle Unfähigkeit, die das Netzwerk von Geheimdienstlern und Neonazis hervorbrachten, , sondern offensichtlich ein bewusstes Kalkül. Man fand sich im Kampf gegen vermeintlich gemeinsame Feinde und ging dankbar auf die Möglichkeit ein, gewissermaßen sich ergänzende Mittel dabei einzusetzen. Man betrachtete und akzeptierte sich gegenseitig als Komplizen bei der Aufgabe, Gegner zur Strecke zu bringen, die von beiden als große Gefahr angesehen wurden.

 

Die Vorgaben zu solchem Denken kamen aus der Politik, vor allem aus deren so genanntem bürgerlichen Lager von CDU/CSU und FDP, zunehmend aber auch aus der SPD. Sie sahen und sehen die Hauptgefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik zum einen in den hier lebenden Ausländern, besonders jenen mit islamischem Glauben, und zum anderen in allen Strömungen »links von der Mitte«, wozu sie außerparlamentarische Bewegungen, antifaschistische Gruppierungen, die Linkspartei und da und dort auch noch die Grünen zählen. Vorwiegend diese unsicheren Kantonisten finden in den turnusmäßigen Verfassungsschutzberichten die Hauptaufmerksamkeit. Auf mehr als 130 Seiten beschäftigt sich der aktuelle Bericht für 2010 mit Islamismus und sonstigem Ausländerextremismus, nur auf 70 Seiten hingegen mit Rechtsextremismus; fast genau der gleiche Umfang wurde dem Linksextremismus gewidmet, davon fast 20 Seiten der Linkspartei. Und was zum Rechtsextremismus gesagt wurde, liest sich als Beschwichtigung und Verharmlosung, insgesamt also eine klare Ansage für Geheimdienste, Polizei und Justiz, wohin sie ihre Augen bevorzugt lenken sollten.

 

Ist auf diese Weise der Feind identifiziert, muss man sich nicht wundern, dass sich seine Bekämpfer schnell zusammentun; eine Krähe hackt der anderen bekanntlich kein Auge aus. Man hilft sich gar, zwar klandestin, aber doch mit Eifer. Bei der Aufklärung so genannter linker Gewalt scheuen die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden weder Kosten noch Mühe und überschreiten auch bedenkenlos Grenzen, die ihnen der Rechtsstaat setzt. So schützte die sächsische Polizei im Februar dieses Jahres eine rechtsextremistische Demonstration auch dadurch, dass sie die Handydaten der antifaschistischen Gegendemonstranten illegal erfasste, insgesamt über eine Million Daten. Sie begründete dies mit einem »Verdacht auf schweren Landfriedensbruch und Bildung einer kriminellen Vereinigung«, was sich aber natürlich nicht gegen die Neonazis, sondern die Antifaschisten wandte.

 

Ähnliche Erfahrungen machen immer wieder auch hier lebende Bürger »mit Migrantenhintergrund«. Auf sie richten Polizei und Justiz ihr besonderes Augenmerk, so bald sie im Umfeld von Kriminalität auftauchen. Und offenbar sehen sie weg, wenn im Kampf gegen »Ausländer« Rechtsextremisten Mittel anwenden, die ihnen versagt sind. Mehr noch – und besonders perfide: Sie belasten die Opfergruppe auch dann mit diesen Taten, wenn es dafür wenig Belege oder gar Gegenbeweise gibt. Die Morde der NSU, bei denen zumindest ein hessischer Verfassungsschützer offenbar »Schmiere stand«, zeigen dies in besonders drastischer Weise.

 

Dieses Zusammenspiel von Rechtsextremismus und staatlichen Autoritäten hat besonders in Deutschland, wenn auch nicht nur hier, Tradition. Man erinnere sich nur an die Weimarer Republik, in der die schnell wechselnden Regierungen, gleich welcher Färbung, den Kampf bevorzugt gegen Links führten und damit dem Nationalsozialismus die Bahn bereiteten. Die konservativ-bürgerliche Gesellschaft mag den Rechtsextremismus ekelhaft finden, sich seiner, wie die Kanzlerin jetzt sagte, schämen, sie »eine Schande« nennen, eine echte Gefahr für die so genannte freiheitlich-demokratische Grundordnung sieht sie darin nicht. Diese Gefahr macht sie ganz woanders aus, und wo es passt, akzeptiert sie auch den ekelhaften Rechtsextremen als Bundesgenossen gegen die eigentliche Gefahr durch »das Fremde«, sei es nun ethnischer oder politischer Natur.

 

Insofern kann die unheilige Allianz von Rechtsextremismus und Staatsgewalt, wie sie an der NSU-Mordserie zu Tage trat, nicht überraschen. Und noch weniger das fieberhafte Bemühen, solche Zusammenhänge mit allen Mitteln zu verschleiern. Auch die Warnungen vor einem NPD-Verbot passen in diesen Kontext, wäre doch Voraussetzung dafür, die Komplizenschaft mit dem Rechtsextremismus zu beenden. Diese Karte in der politischen Auseinandersetzung möchte man jedoch nicht aus der Hand legen – gerade in diesen Zeiten, da der Protest gegen eine ungerechte Gesellschaftsordnung im Wachsen begriffen ist.

One Reply to “Komplizenschaft mit dem Rechtsextremismus”

  1. Die unheilige Allianz von Rechtsextremismus und Staatsgewalt, zumindest Polizei und Geheimdiensten, überrascht nur jemanden, der die Bundesrepublik erst seit 1990 kennt. Wer in der alten BRD politisch sozialisiert wurde, kennt das. Siehe bei mir http://alteeule.blogage.de/entries/2011/11/23/Die-Mordserie-der-Verfassungsschutz-und-das-grosse-Erschrecken.
    Aber es ist für mich schon erstaunlich, wie sehr sich in den Neuen Ländern nach der Wende die Staatsgewalt dem angeglichen hat. Dass die Jugend dort
    für Rechtsextremismus besonders anfällig ist, wundert mich weniger, wenn ich mir vorstelle, welches Vakuum in der Jugendbetreuung nach der Wende von einem auf den anderen Tag herrschte; da sind die Rechten sofort reingegangen. Liege ich falsch?

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