Antiislamische Hetzvideos sind nur das I-Tüpfelchen auf systematischer Demütigung

(pri) In schlechter Einmütigkeit haben Politik und Medien, einschließlich der sogenannten Qualitätspresse, sehr schnell ihr Urteil über die teils friedlichen, teils gewaltsamen Proteste in der islamischen Welt gegen einen antiislamischen, in den USA produzierten Hetzfilm gesprochen und damit das Opfer reflexartig und beinahe uneingeschränkt zum Täter gemacht. Von einer »Hassmaschine« ist da die Rede, von »blutigen Krawallen«, einem »Lauffeuer der Gewalt«, einem »Flächenbrand im Nahen Osten«.

 

Kaum einer dieser hochdotierten Beobachter und Analytiker der Weltpolitik kann sich offensichtlich vorstellen, dass es gerade diese dogmatisch-arrogante Haltung des Westens gegenüber der islamischen Welt, ihrer Religion, aber auch ihrem politischen Selbstverständnis, ihren wachsenden ökonomischen Ansprüchen und demzufolgend sozialen Bedürfnissen ist, die immer wieder aus kleinen Funken der Provokation die hell lodernde Flamme wütenden Protestes macht. Gerade diese permanente Missachtung und Verächtlichmachung des anderen, des Unverständlichen und Unerwünschten führt dazu, dass sich plötzlich der gesamte Islam einmal mehr zurückgesetzt, beleidigt, erniedrigt fühlt – als kulturlose Menschenmasse auf der einen Seite und als wohlfeiles Ausbeutungsobjekt auf der anderen. So erwächst die Beleidigung nicht aus dem dümmlichen Video, sondern vielmehr aus der Rollenzuweisung der islamischen Gläubigen als minderwertig, als vom Westen erst auf die »Höhen der Kultur« zu führende, etwa wenn der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU) ihnen bescheinigt, »kulturell noch ein, zwei Jahrhunderte« gegenüber jenen Muslimen zurück zu sein, die bereits länger in Deutschland leben. Das Video ist nur das I-Tüpfelchen auf solcher systematischen Stigmatisierung einer missverstandenen und unerwünschten Religion.

 

Dieses Gefühl tiefer Demütigung, latent seit Jahrzehnten vorhanden und lange niedergehalten von mit westlichen Regierungen umstandslos kooperierenden Diktatoren, wird jetzt umso mehr bewusst, als die Völker erkannten, dass dies kein unentrinnbares Schicksal ist, sondern von ihnen selbst überwunden werden kann. Sie haben begonnen, die korrupten Sachwalter westlicher Interessen im eigenen Land davonzujagen und erfahren nun, dass es damit nicht getan ist, dass westlicher Einfluss vielmehr versucht, die alten Verhältnisse nur mit einem neuen Gewand zu drapieren. »Ohne Amerika (und Europa) geht es auch für den neuen ägyptischen Staatschef nicht«, schreibt mit erhobenem Zeigefinger die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, »selbst wenn die Muslimbrüder und große Teile der ägyptischen Bevölkerung die Regierung in Washington missbilligen mögen. Die Wirtschaftshilfen und Investitionen sind für ihr politisches Überleben einfach zu wichtig.«

 

Dass sich diese Wut derart gewalttätig äußert, Menschenleben fordert, ist gewiss erschreckend, aber vielleicht ist sie auch ein Signal der Verzweiflung, der Ausweglosigkeit, die diese Menschen, die eben nicht nur bekennende Salafisten waren und sind, erfasst hat. Sie hatten auf Veränderung gehofft, nicht zuletzt aufgrund westlicher Versprechen, und müssen nun sehen, dass dieser Westen letztlich nichts anderes im Sinn hat, als ihre Abhängigkeit zu erhalten, das alte Ausbeutungsverhältnis mit neuen Leuten fortzusetzen.

 

Deutlichster Ausdruck dafür ist die Reaktion auf die Proteste in der islamischen Welt. Die einen rufen förmlich nach den Methoden unseliger Kanonenbootpolitik – wie der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, der beklagt, der Westen habe gegenüber dem Islam »sehr stark auf Dialog gesetzt« und das »Aggressionspotenzial« dieser Religion unterschätzt. Die anderen, wie der grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, enthalten sich zwar solcher militanten Töne; dafür kritisieren sie – obwohl in Iran geboren, jedoch längst abgehoben von den tatsächlichen Sorgen und Nöten der Menschen im Nahen Osten – die dortigen Zivilgesellschaften, die Intellektuellen, weil sie nicht Partei für den Westen ergreifen, obwohl er alle ihre Hoffnungen enttäuscht hat. Nouripour sieht nicht den tatsächlichen Konflikt zwischen westlicher Dominanz und islamischer Erniedrigung, sondern – entsprechend der gängigen hiesigen Meinung – allein einen »zwischen (muslimischen, christlichen, jüdischen …) Extremisten« und dem »pluralen Rechtsstaat«, auf den er die neokoloniale westliche Politik blauäugig reduziert. Die dritten schließlich schieben eine groteske Debatte über das Hetzvideo in den Vordergrund, um die wahren Hintergründe des Aufruhrs in der islamischen Welt zu verdecken. Sie alle aber beteiligen sich an der Meinungsmache gegen die Völker der arabischen Welt, die sie doch gerade noch als Helden gefeiert hatten und denen sie nun übel nehmen, dass sie ihren eigenen Weg gehen wollen.

2 Replies to “Antiislamische Hetzvideos sind nur das I-Tüpfelchen auf systematischer Demütigung”

  1. Vor allem hat man demnächst mal wieder allen Grund, in welcher Form auch immer
    loszuschlagen. Die Bedrohung Israels als akut zu erachten und Herrn Netanjahu eine Steilvorlage zu liefern den Iran in Schach zu halten. Amerika kommt von hinten durch die Brust.
    Kein Schelm wer Böses dabei denkt.

    LvM

  2. Guter Artikel. Danke

    „Dass sich diese Wut derart gewalttätig äußert, Menschenleben fordert, ist gewiss erschreckend,“

    Erschreckend eigentlich nicht. Wenn man bedenkt das der Zion-Westen schon Millionenfachen Tod in diese Länder getragen hat.

    Stellen sie sich die Welt, für einmal ein wenig anders vor.!

    Eine muslimische Supermacht und ihre Vassallen, bekriegen das westliche Abendland, löschen Millionen von christlichen Menschenleben aus, zerstören Staaten, zum Beispiel Deutschland und nehmen sich desen Rohstoffe frei und fast gratis, verseuchen die Umwelt mit Uranmunition und zuguter letzt, machen sich diese muslimische Imperealisten auch noch über das christlich westliche Abendland lustig.

    Meiner Meinung nach, benehmen sich die Muslime, nach allem was sie erleben Mussten und Müssen, äusserst zivilisiert und besonnen.!

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