Wiederkehr des kalten Krieges

(pri) Was sich jahrzehntelang als eine erbitterte Systemauseinandersetzung zwischen dem ausbeuterischen Kapitalismus und einem sozial gerechten Sozialismus dargestellt hatte, war am Ende vielleicht doch nur ein Kampf zwischen zwei Supermächten und ihren jeweiligen Satrapen um die Vorherrschaft in der Welt. Denn nach dem Sieg des einen, des kapitalistischen Lagers und dem Ende des sozialistischen Widerparts, ausgelöst durch die Erosion von dessen »Weltsystem«, die der östlichen Supermacht den Boden unter den Füßen weg zog, währte die nun erwartete Periode so genannter friedlicher Koexistenz der Staaten nur historisch kurze Zeit, etwa 20 Jahre. Inzwischen erlebt der globale Machtkampf seine Renaissance – und mit ihm kehrt auch der kalte Krieg zurück. Die Akteure sind im wesentlichen die gleichen, wobei einer, China, in den Rang einer dritten Supermacht aufgestiegen ist, was die Situation zusätzlich verschärft.

 

In den 90er Jahren schien es, als beherrschten die USA und ihre westlichen Verbündeten das Weltgeschehen. Russland, der größte Restbestand der einstigen Sowjetunion, hatte sich – vor allem in der Jelzin-Periode – diesem Westen unterworfen, und China suchte noch nach einem Weg, die politische Herrschaft der Partei-Nomenklatura mit der kapitalistischen Ökonomie zu verbinden. Dass den Chinesen dies gelungen ist, bewirkte ihren Eintritt in den Kreis der Supermächte – und es bewirkte zugleich den nur teilweise gelungenen Versuch Russlands, auf ähnliche Weise wieder eine weltpolitische Rolle zu spielen. Diese Entwicklung konnten die USA nicht verhindern, denn hinter beiden Staaten stehen objektive Größen – die Ausdehnung und der Reichtum der jeweiligen Länder und die Menschenmassen, die sie zu bewegen vermögen, wenn es darauf ankommt. Daher antworteten die US-Amerikaner mit einer Eindämmungsstrategie, die westliche Stützpunkte vor allem an strategischen Orten zu sichern bemüht ist und zugleich Russland wie China eigene Einflusssphären streitig zu machen versucht. Die Kriege in Irak und Afghanistan waren dafür Beispiele, die freilich die westlichen Ziele verfehlten.

 

Aber die USA und die NATO haben keine andere Option und setzen diese Strategie fort – zuletzt sichtbar am Bemühen, die emanzipatorischen Bewegungen in der arabischen Welt für ihre Zwecke zu nutzen und dabei vor allem die Einflusszonen der beiden anderen Supermächte zu eliminieren. Das ist beim Beispiel Libyen geradezu perfekt gelungen, aber gerade dies alarmierte Russen wie Chinesen gleichermaßen. Sie zogen daraus nicht nur außenpolitisch die Konsequenz, eine solches Szenario nicht noch einmal zuzulassen, was sie am Beispiel Syrien – von allen westlichen Vorhaltungen unbeirrt – umsetzen, sondern beschränken systematisch auch innenpolitisch den westlichen Einfluss. Für China war diese Abschottung von Anfang an Bestandteil seiner Öffnung zur kapitalistischen Wirtschaftsweise; Russland folgt nun, auch wenn dies nach einer Periode relativer Liberalisierung Widerstand hervorruft, der aber sogleich als zusätzliches Argument für solche Daumenschrauben genutzt wird.

 

Der Westen kann dagegen wenig tun, zumal seine Menschenrechtskampagnen hohl klingen angesichts wachsender eigener Defizite auf diesem Gebiet. Besonders den USA, die den rechtsfreien Raum Guantanamo schufen, die Folter faktisch legalisierten und Selbstjustiz gegen internationales Recht setzen, sind diesbezüglich derart unglaubwürdig geworden, dass ihre Kritik verpufft. Aber auch die Europäer mit ihrer Abschottungsbehörde Frontex, die jährlich Hunderte Todesopfer fordert, mit ihrer gutsherrlichen Art, Freizügigkeit zu gewähren oder zu verweigern, und der wachsenden Tendenz, im Interesse der Geldmärkte und eigenen politischen Einflusses demokratische Prozesse zum Beispiel in den EU-Mitgliedsstaaten auszuhebeln, können längst nicht mehr als Vorbild dienen. Auch hier findet ein Rückzug in die Wagenburg statt. Der EU-Bürokratie gefällige Politiker sind willkommener als in demokratischen Wahlen Erkorene. Maßnahmen zur Absicherung autokratischer Regierungen – wie in Ungarn, jetzt in Litauen – werden stillschweigend geduldet und vielleicht insgeheim schon als Muster für künftiges Regieren angesehen. In den USA ist ein Präsidentschaftsbewerber aussichtsreich, der ganz offen zu internationaler Konfliktstrategie und im Innern zu Entsolidarisierung mit jenen aufruft, die er politisch schon längst für unzuverlässig hält.

 

Die Welt ist auf dem Wege, zur Konfrontation der 80er-Jahre zurückzukehren. Politisch nehmen die Spannungen zu, ökonomisch wächst die Konkurrenz, militärisch zeichnet sich am Horizont ein neues Wettrüsten ab. Der Kampf um die Weltherrschaft erlebt eine Neuauflage; der kalte Krieg, der uns inzwischen schon wieder aus den Medien entgegenweht, ist dafür ein deutliches Anzeichen.

2 Replies to “Wiederkehr des kalten Krieges”

  1. Der Frieden ist die Vorbereitungszeit auf einen Krieg. Dieser Grundsatz kennzeichnet die Geschichte der Menschheit, die eine Geschichte der Verteilungskämpfe ist. Deshalb wird auch nicht ernsthaft versucht, aus der Geschichte „zu lernen“- nein, die alten „Strickmuster“ werden immer wieder neu aufgelegt. Nach dem Ende der Ost-West-Blockkonfrontation begann „nahtlos“ der Krieg in Jugoslawien, kräftig befeuert durch das nun größer gewordene (West-)Deutschland. Deutsche Kampfflugzeuge bombardierten im NATO-Verbund das serbische Belgrad, ohne UNO-Mandat. So sollte es dann „fröhlich“ weiter Richtung Osten gehen, in das Reich der sagenhaften Bodenschätze und billigen Arbeitskräfte. Doch die von „westlicher Befreiung“ bedrohten nationalbewußten Ukrainer und Russen erwachten aus dem Rausch der vermeintlich „Neuen Zeit“ und reorganisierten sich zum Abwehrkampf. Der beleidigte Westen klagt nun über die heraufziehende, weltweite „Neue Eiszeit der Konfrontationen“ im 21.Jahrhundert. Er kann getröstet werden: Das ist doch nur menschlich, es war doch immer so!

  2. @ Kai Guleikoff

    Man kann es so sehen, auch wenn es mir zu fatalistisch ist. Gerade das Beispiel Russlands und der Ukraine, mehr noch Chinas zeigt, dass man sich wehren kann. Und auf der anderen Seite könnnen die NATO einschließlich der USA längst nicht mehr so, wie sie gern möchten. Allerdings braucht eine einigermaßen friedliche Welt auch weiterhin ein Gleichgewicht der Kräfte – eine Lehre der letzten zwei Jahrzehnte.

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