Bagdad und Boston

(pri) Heute explodierten an zwei Stellen in der irakischen Hauptstadt Bomben, töteten einen Menschen und verletzten 18. Eine Autobombe detonierte nahe einem Kontrollpunkt in Abu Ghraib, 20 Kilometer westlich von Bagdad. Zwei Menschen wurden getötet, sechs verwundet. Bei einer weiteren Explosion im Westen der Hauptstadt starb eine Person. Südlich Bagdads explodierte eine am Straßenrand gelegte Bombe und verletzte vier Personen.

 

Gestern starben bei Attentaten in Irak 15 Menschen. In einem südlichen Vorort Bagdads wurden drei Personen getötet, »darunter zwei Wachleute vor einem Wahllokal. Im Umland der südöstlich von Bagdad gelegenen Stadt Al-Kut kamen drei Zivilisten durch eine Autobombe ums Leben. Ein Zivilist starb in Bagdads Stadtteil Al-Tarmija, als eine Autobombe neben einer Polizeistreife detonierte. In der Ortschaft Jarf al-Sahr wurde ein Soldat durch einen Sprengstoffanschlag getötet … Zwei Angehörige einer Bürgerwehr und zwei Polizisten wurden in der Stadt Bakuba von Unbekannten erschossen.«

 

Vorgestern explodierte vor dem internationalen Flughafen Bagdads eine Autobombe, kurz darauf schlug am gleichen Ort eine Mörsergranate ein. Bei dem Anschlag wurden drei Menschen getötet. Zehn weitere erlitten Verletzungen. In der nördlichen irakischen Provinz Salaheddin »sprengte sich ein Selbstmordattentäter an einer Straßensperre der Polizei in die Luft. In der Stadt Kirkuk explodierten Autobomben vor einer schiitischen Moschee, vor dem Katasteramt und neben einem Fahrzeug mit kurdischen Kämpfern. Weitere Anschläge ereigneten sich in Al-Hilla und Al-Musajib südlich von Bagdad, wo eine Bombe vor einem Restaurant detonierte, sowie in den nördlich der Hauptstadt gelegenen Städten Bakuba und Tikrit. In der Stadt Mossul wurde eine Angehörige der christlichen Minderheit von Unbekannten erschossen.« Insgesamt kamen bei diesen Anschlägen mindestens 35 Menschen ums Leben, wenigstens 250 wurden verletzt.

 

Hat man in diesen drei Tagen davon gehört, dass Angela Merkel »mit Entsetzen« diese Nachrichten verfolgte, weil nichts »einen so heimtückischen Angriff auf Menschen« rechtfertige und den Angehörigen der Todesopfer und den Verletzten ihr Mitgefühl aussprach, dass Guido Westerwelle »zutiefst schockiert« ist. Haben Zeitungen die irakischen Anschläge zum Tagesthema gemacht? Gab es darüber Sondersendungen im Fernsehen? War von »weltweitem Mitgefühl mit den Opfern« zu lesen oder zu hören?

 

Stellen wir uns eigentlich noch die Frage, warum sich unsere Anteilnahme auf Boston beschränkt und Bagdad uns nicht wirklich interessiert?

 

3 Replies to “Bagdad und Boston”

  1. Für Politik und Medien ist Opfer nicht gleich Opfer, oder Toter nicht gleich Toter. Es müssen immer die richtigen Opfer und die richtigen Toten sein, nämlich solche, die uns unentwegt Angst machen können. Angst vor Terror auf dem Wochenmarkt, Angst vor Terror auf dem Stadtteilfest usw. Es gab mal eine Zeit, da konnte man die Anschläge im Irak jeden Tag im Fernsehen oder in der Zeitung verfolgen, aber man hat wohl schnell gemerkt, dass diese Toten für die meisten der Zuschauer und Leser aus einer anderen Welt kamen, um nicht zu sagen von einem anderen Stern. Und was kann man nachher nicht alles rechtfertigen im Namen der Terrorbekämpfung? Den Iran angreifen zum Beispiel.

  2. In Deutschland gibt es eine Kultur der Wertschätzung der Toten – keine unabänderliche, sondern eine „flexible“, nach der aktuellen politischen Windrichtung ausgerichtete. Das „Fegefeuer“ wird gewissermaßen auf die Erde geholt und zum Herrschaftsmittel der Mächtigen. Die Stadt Boston ist eben nach „unserem“ Verständnis ein Hort der „Gut-Menschen“, während Bagdad sich nach wie vor wehrt, „bürgerlich-demokratisch“ zu werden. Dieser gravierende Unterschied muß doch medial herausgestellt werden!
    Der deutschen Bundeswehr steht die gerichtliche Aufnahme des „Falles Georg Klein“ bevor. Der damalige Oberst und heutige Brigadegeneral gab bekanntlich den „Bombardierungsbefehl auf zwei Tanklastfahrzeuge“ (bei Kundus in Afghanistan) mit furchtbaren Folgen für die lokale Zivilbevölkerung. Hier wird Deutschland auch wieder Tote bewerten müssen. Wir dürfen gespannt sein!

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