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Putins Retourkutsche auf der Krim

(pri) Die Triumphgesänge waren schon angestimmt. Endlich war der russische Präsident in die Schranken gewiesen worden, nachdem er zuvor vor Kraft kaum noch laufen zu können schien. Er hatte den schon geplanten Kriegseinsatz gegen Syrien verhindert, war bei der Entschärfung des Konflikt mit dem Iran aktiv erfolgreich gewesen, gewährte Edward Snowden Asyl und brachte gerade erst Olympische Spiele ohne Störungen über die Bühne. All das empfand der Westen als Niederlage – und die nächste drohte mit der ukrainischen Ablehnung des Assoziierungsabkommens mit der EU.

 

Doch da kam ihm der Präsident der Ukraine mit seiner Misswirtschaft der letzten Jahre zu Hilfe, was zumindest im Westteil des Landes wachsender Unzufriedenheit Bahn brach und zunächst zu friedlichen Demonstrationen führte. Das wiederum verleitete westliche Politiker dazu, vor Ort massiv für die Demonstranten Partei zu ergreifen [1] und sie glauben zu machen, die Regierungsentscheidung sei revidierbar – und sei es mit Gewalt. Sie ließen zu, dass sich radikale, rechtsnationalistische Kräfte bewaffneten und chaotische Zustände in Kiew herbeiführten.

 

Erst als nun auch Janukowitsch zu Gewaltmaßnahmen griff und es Tote gab, handelten die Außenminister der Bundesrepublik, Frankreichs und Polens mit der ukrainischen Führung und der Opposition ein Abkommen aus, das die Situation entspannen sollte. Doch dessen Tinte war noch nicht trocken, als die bewaffnete Rechte, geduldet von den nationalen wie internationalen Unterhändlern, vollendete Tatsachen schuf, indem sie zur Erstürmung des Präsidentenpalastes aufrief und unter diesem Druck ihr genehme Beschlüsse im ukrainischen Parlament durchsetzte.

 

Sie ließen auch zu, dass auf diesen Staatsstreich als erstes Maßnahmen gegen die starke russische Minderheit im Land folgten. Die Akteure in Kiew vergaßen, dass sie in der Ukraine nicht allein sind, sondern in einer noch jungen Nation leben, die viele Völkerschaften vereint und nur funktionieren kann, wenn deren legitimen Rechte respektiert werden. Bis zum Putsch in Kiew hatten auch die Bürger im Osten des Landes die Entwicklung mit Interesse und keineswegs feindselig verfolgt. Nun aber wurde ihnen offen gedroht.

 

Für den russischen Präsidenten war damit nicht nur geostrategisch, sondern auch innenpolitisch eine Grenze überschritten. Er konnte nicht riskieren, dass russische Bürger zu Schaden kommen, während er tatenlos zusieht. Aber natürlich sah er auch die Chance, auf die weitere Entwicklung in der Ukraine Einfluss zu nehmen – so wie zuvor der Westen diese Chance gesehen hatte. Und er kopierte sogar das westliche Vorgehen [2]. Sein Maidan war die russische Mehrheit auf der Krim; diese vollzog nun ihrerseits in Simferopol einen Staatsstreich, allerdings mit zwei wesentlichen Unterschieden: Maßnahmen gegen Ukrainer wurden nicht ergriffen und Gewaltanwendung hat sich russisches Militär vorbehalten, womit Moskau – anders als der Westen in Kiew – die Entwicklung unter Kontrolle halten kann.

 

Putin verfolgt mit diesem kalkulierten Vorgehen auch die Absicht, der Welt einmal mehr die gewachsene Stärke Russlands zu demonstrieren [3] – zu einer Zeit, wo Barack Obama nicht zuletzt durch die gnadenlose Opposition der Republikaner im eigenen Land geschwächt ist und die Europäer genügend Probleme in der EU haben. Die ersten Reaktionen des Westens zeigen deutlich seine Machtlosigkeit; einmal mehr muss er konstatieren, dass voluntaristische Politik nicht erfolgreich ist, im Gegenteil. Angesichts dessen kann man nun hoffen, dass diese Erkenntnis auch Putin nicht vergisst, denn eine Rückkehr zum Status quo vor den Maidan-Demonstrationen wird es ebenfalls nicht geben können.