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Angela Merkel – die Mainstream-Kanzlerin

(pri) Sorgen muss sich Angela Merkel derzeit nicht machen. Ihre Position ist unangefochten – in der CDU zumal, wo sie gerade mit dem Fast-Honecker-Resultat von 96,7 Prozent zum achten Mal zur Vorsitzenden gewählt wurde. Aber auch nicht in der Koalition, in der sich Sigmar Gabriel längst devot der Chefin unterworfen hat und nur noch danach strebt, nach der Bundestagswahl 2017 von ihr nicht übergangen zu werden, wenn sie sich den Partner für ihre vierte Kanzlerschaft aussucht.

Denn Angela Merkel hat die Wahl [1]. Neben der derzeitigen SPD-Führung buhlen auch die Grünen um ihre Gunst. Sie haben bei ihrem kürzlichen Parteitag die Weichen zur »Mitte« hin gestellt und sich von einem »linken Projekt«, welcher Art auch immer, weitgehend verabschiedet. Ihr Muster für die Zukunft ist Hessen, wo sie mit einem der konservativsten CDU-Ministerpräsidenten regieren, und nicht etwa Thüringern, auf dessen rot-rot-grüne Koalition sie sich am Ende nur einließen, weil ihnen die übergroße Kompromissbereitschaft der Linken jedes Gegenargument aus der Hand geschlagen hatte.

Aber die Kanzlerin besitzt weitere Optionen. Sie hofft zum einen auf eine Rückkehr der FDP in den Bundestag und dass es dann aufgrund eigener Stärke zur Neuauflage ihres Lieblingsbündnisses Schwarz-Gelb reichen könnte. Und sie schließt trotz aller gegenteiligen Bekundungen für die Zukunft auch ein Zusammengehen mit einer dann vielleicht berechenbareren AfD wohl nicht aus; schließlich ist diese im Kern Fleisch vom Fleische der Union. Immerhin hatte sie schon Thüringens CDU-Fraktionschef dazu nach dessen eigenen Angaben ermuntert [2], wenn es dadurch die Wahl des Linken Ramelow zum Ministerpräsidenten verhindern könnte; weil er das jedoch vermasselte, flog er jetzt in Köln aus dem CDU-Bundesvorstand [3]. Auch ein Scheitern der Rechtspopulisten muss Merkel nicht schrecken, würden doch die meisten von ihnen dann in den Schoß der Union zurückkehren.

Der Einflussnahme auf solcherlei Prozesse dient auch die inhaltliche Ausrichtung, die aus den Beschlüssen des CDU-Parteitags abzulesen ist. Nach einem Jahr großer Koalition, in dem vor allem die SPD ihre Beiträge zum Regierungsprogramm – allerdings ohne sichtbaren Erfolg beim Wahlvolk – abarbeiten konnte, wird die Union nun ihr konservatives Profil zu schärfen versuchen und sich stärker von der Sozialdemokratie abgrenzen. Der Mainstream, den sie wesentlich bestimmt, soll weiter nach rechts verlagert werden. Bereits in den letzten Wochen ließ Merkel die innerparteiliche Debatte in diese Richtung laufen, so bei der Kritik am Mindestlohn oder der Frauenquote, so aber auch durch Desavoierung des Außenministers in der Frage des Dialogs mit Russland, die dieser freilich nach kurzer Verstimmung klaglos hinnahm.

Derzeit ist die Union bemüht, ein Verhältnis zur Pegida-Bewegung in Dresden und anderen Städten zu finden, der sie zwar eine »eine abstoßende Sprache« [4] vorwirft, zugleich aber mit ihr durchaus Gemeinsamkeiten sieht [5], die es nun auszuloten gelte, um diese spontane konservative Bewegung anschlussfähig zu machen. Schließlich wurden Forderungen wie jene der Pegida, wenn auch weniger radikal, bislang aus CDU und CSU vorgetragen [6] – siehe zuletzt Burka-Verbot und Anhalten zum Deutsch-Sprechen. Andere sind schon CDU-Beschlusslage [7].

Die Kanzlerin wird diese Prozesse weiter vorantreiben, selbst aber zugleich eine vermittelnde Rolle zu spielen versuchen. Wie schon bisher wird sie sich bemühen, die Wirkung solcher Politik sensibel aufzunehmen und bei Bedarf korrigierend eingreifen, wenn sie das Gefühl hat, dass die Dinge aus dem Ruder laufen könnten. Sie nennt ihre Politik zwar gern alternativlos, findet aber selbst doch wenigstens Varianten dazu, wenn es ihr für den Machterhalt geboten erscheint.

(Aktuell ergänzt und gedruckt in »Neues Deutschland« vom 16. Dezember 2014)