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Ukraine: Schmerzvoller Weg in die Realität

(pri) Schon an der Körpersprache war in Minsk abzulesen, worin die beiden Vermittler François Hollande und Angela Merkel ihre Hauptaufgabe sahen. Rührend kümmerten sie sich um den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, umschwirrten ihn, nickten freundlich zu seinen Worten, gebärdeten sich wie die besten Kumpel. Sie wussten warum; schließlich mussten sie ihm die bittere Realität klar machen, ihm seine flotte Großspurigkeit [1], die er noch Stunden zuvor im militärischen Tarnanzug vorgeführt hatte, austreiben und ihn auf einige schmerzhafte Entscheidungen vorbereiten. Putin ließen sie derweil links liegen, auch das durchaus in realistischer Einsicht in dessen starke Position, die einer letzten Seelenmassage wenig Aussicht auf Erfolg verhieß.

Sie erlebten dann auch den erwartet harten Verhandler, körperlich fit und kaum auf die Zuarbeit seiner Mannschaft angewiesen. Doch bei aller Zielstrebigkeit und Konsequenz, der russische Präsident erlag nicht der Verlockung, alle seine Trümpfe auszuspielen und den Westen in seiner selbst angesteuerten Sackgasse vorzuführen. Er bremste vielmehr gar die prorussischen Separatisten aus, die gern noch einige Geländegewinne abgesichert hätten [2] und akzeptierte verschiedene westliche Wünsche [3], damit die Verhandlungspartner ein einigermaßen gesichtswahrendes Resultat vorweisen konnten.

Aber auch Hollande und Merkel waren am Schluss sichtlich erleichtert, hatten sie doch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zum einen war es gelungen, einen Waffenstillstand und eine Pufferzone zu vereinbaren und dies in einen länger währenden Prozess einzubetten,der zur allmählichen Annäherung der Kriegsparteien führen [4] soll. Gleichzeitig wurde damit jenen, die gerade in den letzten Tagen auf eine Eskalation des Konflikts hinarbeiteten, ein Argument aus der Hand geschlagen. Merkel und Hollande wurden in ihrem derzeitigen Kurs hingegen gestärkt.

Aber beide wissen natürlich, dass ihre Aufgabe noch längst nicht erfüllt ist. Beide Seiten sind weiter unberechenbar [5] genug, um immer wieder Probleme zu schaffen und damit auch den Hardlinern in die Hände zu spielen [6]. Es wird noch großer Standfestigkeit und einigen Geschickes bedürfen, aus dem heutigen fragilen Vereinbarung ein robustes Vertragswerk zu machen, das allen Beteiligten gerecht wird. Und es wird dabei einer gewissen geschäftsmäßigen Zusammenarbeit mit Wladimir Putin bedürfen, die nur auf gleicher Augenhöhe erfolgen, aber auch besonderer Vertrautheit entbehren kann. Nur wenn es dazu kommt, lassen sich in den nächsten Tagen wie späterhin die sicher zu erwartenden Rückschläge bewältigen. Das Minsker Ergebnis könnte dafür ein ermutigender Auftakt sein.