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Merkel beugt sich dem »Recht« des Stärkeren

(pri) Ein wenig ist es so, wie wenn einem Kriminalkommissar plötzlich ein Rechtsverletzer vorgeführt wird, den er bisher als seinen guten Freund kannte, der ihm auch mal einen Dienst erwies, der aber vor allem als stark und einflussreich wahrgenommen wurde. Der Plot ist aus allerlei Kriminalfilmen gut bekannt: Wie verhält sich der Gesetzeshüter in solch einem Fall? Tut er seine Pflicht, auch wenn es schmerzt, vielleicht voller Risiken ist? Oder behandelt er den Freund anders als einen beliebigen Unbekannten, beugt er gar das Recht – auch Anhänglichkeit, Unterwürfigkeit oder einfach Feigheit?

Die Bundesregierung steckt in einem solchen Dilemma, das auf der menschlichen Ebene durchaus nachvollziehbar ist, nicht aber für einen Amtsträger, der nicht nach dem eigenen Gefühl zu handeln hat, sondern nach Amtseid und Gesetz. Ein Rechtsbruch, der im Privaten mit mildernden Umständen zumindest erklärt werden kann, verbietet sich dem Repräsentanten von Legislative wie Exekutive. Insofern ist schon Angela Merkels Zögern, gemäß ihrem verfassungsmäßigen Auftrag zu handeln, nicht akzeptabel – und der Versuch ihrer Adepten, den Rechtsbruch mit rabulistischen Argumenten wegzureden, ein Skandal.

Dabei wird der Rechtsbruch schon gar nicht mehr geleugnet, sondern eifrig gerechtfertigt – mit Hinweisen auf das unverbrüchliche Bündnis mit den USA [1], auf den Kampf gegen den Terrorismus [2], auf die Arbeitsfähigkeit der Koalition [3] usw. All dies ist plötzlich durch die Einhaltung des Rechts offenbar gefährdet, für sich schon eine Bankrotterklärung der Politik. Nur durch Akzeptanz US-amerikanischer Rechtsverletzungen und sogar ihrer Unterstützung ist unser aller Wohlergehen gesichert?

Dass eine zunächst überschaubare Affäre Schritt für Schritt zum großen Skandal werden kann, ist meist nicht den eigentlichen Anlass geschuldet, sondern dem Umgang mit der Affäre. Da verhält sich die Kanzlerin kein Deut anders als die von ihr Geschassten Karl-Theodor zu Guttenberg, Annette Schavan, Franz Josef Jung oder Hans-Peter Friedrich. Statt aufzuklären, mauert sie. Statt die Wahrheit zu sagen, buhlt sie mit der hilflosen Erklärung um Verständnis für offene Lügen, diese seien »nach bestem Wissen und Gewissen« verkündet worden. Dabei ist aktenkundig [4], dass genau entgegen »bestem Wissen« verlautbart wurde, was die Beteuerung, gerade dies sei »mit bestem Gewissen« erfolgt, zur Unverschämtheit macht.

Die gegenwärtige Krise mag Angela Merkel überstehen, weil die SPD sich eine Alternative zur großen Koalition nicht vorstellen kann und deshalb den Sturm im Wasserglas bald abblasen wird. Aber ihr sorgsam koloriertes Bild als einer ehrlichen, verlässlichen Politikerin hat Kratzer bekommen [5], die nicht mehr zu retuschieren sind.