Sächsische Rechtstoleranz

(pri) Kann man das Feuer dafür tadeln, dass es sich immer weiter frisst, wenn man zugleich der Feuerwehr das Löschen abgewöhnt? Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich müsste diese absurde Frage eigentlich bejahen, denn genau in diesem Sinne kommentiert er die ständig zunehmend aggressivere fremdenfeindliche Kampagne in seinem Bundesland. Er nennt deren Täter Verbrecher, seine Regierung hat aber – wie die vorherigen stets CDU-geführten Landesregierungen – gegen ihre Taten nie etwas Wirksames unternommen, sondern sie bagatellisiert und das Hauptaugenmerk darauf gerichtet, jene unter Kontrolle zu halten, die dennoch an die Brandbekämpfung gingen.

Da kann es nicht verwundern, wenn die in dieser Weise erzogene und geführte Polizei des Freistaats Sachsen ebenso wie zumindest Teile der von einem aus diesem Biotop hervorgegangenen Bundesinnenminister organisierten Bundespolizei mehr Augenmerk auf Renitenz andeutende Gesten von Flüchtlingen legt als auf den offenen Widerstand des pöbelnden Haufens gegen polizeiliche Anordnungen; jedenfalls hielt der zuständige Chemnitzer Polizeipräsident Ermittlungen gegen die Opfer des Hasses und ihre hilflose Notwehr für wichtiger als solche gegen die Träger von Widerstand gegen die Staatsgewalt und gegen die gesellschaftliche Ordnung.

In einem hat Tillich zwar recht: Ausländerfeindliche Übergriffe gibt es nicht nur in Sachsen, sondern im gesamten Bundesgebiet. 924 Brandanschläge verzeichnete allein das vergangene Jahr, bereits 17 und viele weitere ausländerfeindliche Delikte bisher 2016. Dass aber Sachsen dabei die Spitzenstellung einnimmt und dort auch die Brutalität immer größer wird, ist fast ausschließlich das Resultat der Politik der seit 1990 an der Macht befindlichen »sächsischen Union« und der von ihr gestellten Regierungschefs – seit 2008 Stanislaw Tillich. Sie haben sich stets als stramm konservativ verstanden und oft genug die Grenze zum Rechtsradikalismus überschritten. Sie haben zugleich die Staatsmacht ganz überwiegend gegen links ausgerichtet und darunter all jene subsumiert, die sich irgendwie gegen die Rechtstendenz der CDU-Politik wehrten.

Dass 2004 und 2009 die NPD und 2014 die AfD in den sächsischen Landtag einzogen, ist die direkte Folge solchen Rechtskurses, und derzeit macht die CDU Sachsens durchaus den Eindruck, als sähe sie kein Problem darin, auch mit der AfD zu koalieren, wenn es dem Machterhalt dient. Anders ist jedenfalls die Bestellung ausgerechnet eines AfD-Mitgliedes und Hetzers auf diversen fremdenfeindlichen Kundgebungen zum Leiter eines Flüchtlingsheims durch den CDU-Landrat des Kreises Mittelsachsen nicht zu deuten.

Nach dem was Stanislaw Tillich über die Vorgänge in Clausnitz und Bautzen bisher zum besten gab, ist mit einer Änderung der Situation in Sachsen kurzfristig nicht zu rechnen. Seine Toleranz gegenüber allem Rechten ermutigt nicht nur immer mehr Bürger, ihre Ressentiments gegen alles Fremde immer offener und gewaltbereiter auszuleben; sie ist auch von der dortigen Polizei offensichtlich so sehr verinnerlicht worden, dass diese zu einem konsequenten, kompromisslosen Vorgehen gegen Rechts kaum noch in der Lage scheint bzw. dazu gar nicht willens ist. Die Veränderung muss in der sächsischen Staatskanzlei beginnen – gemäß derm Motto »Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung«. Bislang ist aber von Einsicht in Dresden nichts zu spüren.