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Wolfgang Schäuble bestellt den neuen BND-Chef

(pri) Nicht dass Gerhard Schindler als Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) abgelöst wurde, ist die Überraschung dieser Tage, sondern wer seinen Nachfolger bestellt hat. Offiziell ist das natürlich die vorgesetzte Behörde des Geheimdienstchefs, das Bundeskanzleramt, aber tatsächlich war es diesmal der überhaupt nicht zuständige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der sich offensichtlich selbst für zuständig erklärt und damit auch durchgesetzt hat. Was einmal mehr den schleichenden Machtverlust der Bundeskanzlerin offenbart.

Schindlers Entlassung war lange fällig, denn die Liste seiner Fehlleistungen ist lang. Nicht nur, dass es ihm nicht gelang, das Eigenleben der Schlapphut-Truppe unter Kontrolle zu bringen und deren Eigenmächtigkeiten wenn schon nicht zu unterbinden, so doch wenigstens über sie Bescheid zu wissen. Er nahm sich solche Alleingänge auch selbst gegenüber dem Kanzleramt und dem Parlament mit seinen zahnlosen Kontrollgremien [1]heraus. Dass er die NSA-Spionage gegen Verbündete, die Bundesregierung eingeschlossen, nicht auf das hierzulande Zulässige zurechtstutzte, sondern selbst davon zu profitieren versuchte, nahm das Kanzleramt noch zähneknirschend hin, aber die eigenmächtige Ausspähung von »Freunden«, von der Schindler angeblich nicht gewusst habe, dürfte ein wichtiger Sargnagel für seine Karriere gewesen sein. Dazu kamen Fehleinschätzungen politischer Entwicklungen, etwa in der Ukraine-Krise und in Bezug auf das russische Engagement in Syrien sowie Pannen im Apparat – die Enttarnung eines CIA-Spions im BND [2]und Sicherheitsmängel im Zusammenhang mit dem Umzug des Dienstes von Pullach nach Berlin.

Bundestag und Öffentlichkeit riefen nach Reformen bei der Auslandsspionage; vor allem ging es um strikte Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und mehr Transparenz. Schindler schien inzwischen bereit, dazu seinen Beitrag zu leisten – und das nicht nur durch symbolische Schritte wie die Ankündigung eines Besucherzentrums am neuen BND-Komplex. Ende 2015 hatte er in einem Hintergrundgespräch ungewohnt offen über Fehlentwicklungen in Saudi-Arabien [3] informiert. Auch zeigte er sich gegenüber dem Bundestag kooperationsbereit, so dass sich die Geheimdienstkontrolleure der Opposition zuletzt positiv über den BND-Präsidenten äußerten [4].

Ganz im Gegensatz dazu die Bundesregierung. Sie rügte nicht nur Schindlers Einlassungen zu Saudi-Arabien scharf; sie zeigte auch wenig Neigung, vom Parlament verlangte Reformen beim Spionagedienst durchzusetzen. Bereits im März wurde ein entsprechender Gesetzentwurf zurückgestellt [5], weil seine Realisierung angeblich die Arbeit des Dienstes massiv behindern würde. Wortführer der Kritiker war Wolfgang Schäuble [6], derzeit Finanzminister, aber zuvor als Innenminister bereits sorgsam darauf bedacht, keine wirkliche Kontrolle des Geheimdienstes zuzulassen. Er intervenierte bei Angela Merkel persönlich, die sich offensichtlich keinen weiteren Konflikt mit dem konservativen Flügel ihrer Partei leisten kann. Und er erreichte nun gar durch, dass einer seiner Vertrauten zum Nachfolger Schindlers bestimmt wurde – Bruno Kahl [7], dessen gesamte politische Karriere an Schäubles Seite verlief, vom Bürochef des einstigen CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden über das Amt des Pressesprechers, Büroleiters und Chef des Leistungsstabes im Innenministerium bis hin zu ebenfalls hochrangiger Verwendung derzeit im Finanzministerium.

Kein Wunder also, dass die Opposition im Bundestag den überraschenden Vorgang ungeachtet der demonstrativen Pokermiene des Finanzministers mit höchstem Misstrauen [8] zur Kenntnis nimmt. Sie befürchtet wohl nicht zu Unrecht, dass sich ein Schäuble-Vertrauter in der BND-Spitzenposition kaum für die weitgehenden Reformvorschläge vor allem aus dem Parlament erwärmen kann. Sondern im Gegenteil: Kahl dürfte der gewollte Bremsklotz sein, der dafür sorgt, dass sich am Gebaren der Auslandsspione auch künftig nicht viel ändert.

Wolfgang Schäuble hat damit einmal mehr seine Macht in der derzeitigen Bundesregierung demonstriert. Er muss nicht Kanzler sein, um in wesentlichen Fragen die Richtlinien der Politik zu bestimmen.