Auch Schulz taugt nur zum Juniorpartner der Union

(pri) Geschont hat sich Martin Schulz nicht, weder in den letzten Wochen noch im Fernsehduell mit seiner Kontrahentin Angela Merkel. Er ist landauf landab durch die Republik getourt, um seine Ziele nach dem von ihm nie in Zweifel gezogenen Wahlsieg unter die Leute zu bringen. Er hat gegen Angela Merkel gewettert, von ihr verlangt, endlich Farbe zu bekennen, sich ihm zum Faustkampf zu stellen. Manchmal erinnerte er in seinem Zorn über die nicht zu greifende Kanzlerin eher an ein Rumpelstilzchen, das krakeelt und pöbelt, als an einen seriösen Kanzlerkandidaten.

Angela Merkel hat sich davon nicht beeindrucken lassen. Nie zahlte sie mit gleicher Münze zurück, sondern wich den Schlägen wie eine geschickte Fechterin aus, ohne freilich selbst Treffer landen zu wollen. Sie zuckte die Schultern, wenn der Ton des Gegners einmal zu schrill wurde, zeigte gar Verständnis für dessen Nöte und tat so, als sei Wahlkampf für sie nur eine Aufgabe beim Regierungshandeln wie jede andere – mit vier-jährlicher Wiedervorlage.

Insofern stellten sich beide Kandidaten für die kommende Kanzlerschaft als sehr unterschiedlich dar – eigentlich eine gute Ausgangsposition für die Entscheidung der Wähler. Im Auftreten haben sie bei ihnen durchaus Alternativen erkennen können, und ginge es am Wahltag in drei Wochen vor allem um die Performance, ren die demoskopischen Abstände zwischen ihnen wohl nicht so deutlich. Das Anderssein hat Martin Schulz exzellent vorgeführt, auch beim TV-Duell, aber hier konnte er natürlich nicht so aufdrehen wie bei einem Heimspiel vor den eigenen Anhängern. Hier kam es weniger auf das Wie als auf das Was an, und da wurden seine Defizite doch allzu deutlich.

Denn die Wähler haben bei aller Anerkennung für die ausdauernde Angriffslust des Herausforderers nicht übersehen, dass er dabei zumeist Scheingefechte führte. In der Sache, im Inhalt konnten sie die Unterschiede, die ihnen in Gestik und Rhetorik vorgespiegelt wurden, nicht so recht nachvollziehen. Sie registrierten vielmehr, dass das Regierungsgeschäft – ob Dieselskandal, ob Abschottungspolitik gegenüber Flüchtenden, ob Behinderung und Verfolgung links-alternativen Gedankenguts oder auch nur unbequemer Journalisten, ob Unterstützung der konfrontativen und gewalttätigen Außenpolitik der USA – ungeachtet aller Donnerworte des SPD-Kanzlerkandidaten von den Amtsträgern seiner Partei in der Regierung vollinhaltlich mitgetragen wurden, und zwar stets zu den Bedingungen der Union. Anderes Handeln als das, was der stärkere Koalitionspartner vorgab, war nirgends zu erkennen, und das machte den sich abstrampelnden Martin Schulz erst recht zum Fechter mit Windmühlenflügeln, der allenfalls Mitleid, eher aber Spott auszulösen vermochte.

Dreimal hat die SPD seit 2005 versucht, Angela Merkel eine weitere Kanzlerschaft streitig zu machen. Alle drei Kandidaten, von Steinmeier über Steinbrück zu Schulz, scheiterten nicht an eigenem Bemühen, sondern an der mangelnden inhaltlichen Alternative zur CDU-Vorsitzenden. Sie konnte Angriffe auf ihre Politik mühelos mit dem Hinweis parieren, dass dies immer auch die Politik des Koalitionspartners gewesen sei, bis zum heutigen Tag. Und Merkel nutzte das auch an diesem Abend weidlich. Die Fixierung der SPD auf Machtbeteiligung verhinderte das rechtzeitige Lösen aus dem Bündnis mit der dominanten Union. Als Juniorpartner konnten die Sozialdemokraten nie Glaubwürdigkeit gewinnen, sie würden je eine andere Politik betreiben. Wie zur Bestätigung stimmte Schulz ein ums andere Mal der Kanzlerin zu, was diese mit dankbarem Kopfnicken quittierte.

Als der ehemalige Präsident des EU-Parlaments im Frühjahr als Kanzlerkandidat vorgeschlagen wurde und sogleich soziale Gerechtigkeit zu seinem Markenzeichen erklärte, setzte sich kurzzeitig die Sehnsucht in der Sozialdemokratie nach einem grundsätzlichen Politikwechsel durch und führte sogar zu einer Wechselstimmung im Land. Doch das Verharren der SPD in der Koalition und ihre Unterwerfung unter den Willen von CDU und CSU zerstörten alle Hoffnungen und warfen die Partei zurück auf den Status des Juniors. Den sie auch in diesem Jahr behalten wird, allen Beschwörungen und Bemühungen eines Martin Schulz zum Trotz. Der am Ende selbst die Fortsetzung der großen Koalition nicht ausschließen mochte.