Westlicher Sturmlauf gegen Russland nach Scheitern in Syrien

(pri) Freude und Erleichterung waren kaum herauszuhören aus den Berichten und Kommentaren in den Hauptstädten der westlichen Wertegemeinschaft über die weitgehende Befriedung eines nächsten Kriegsherds im geschundenen Syrien. Nach Aleppo hat die syrische Armee mit russischer Unterstützung nun auch Ost-Ghouta befreit, jenen Ort nahe Damaskus, von dem aus die Bewohner der Hauptstadt immer wieder vom IS beschossen und anderweitig terrorisiert wurden. Von jenen beschönigend »Rebellen« genannten Mörderbanden also, die sowohl in Aleppo als auch in Ost-Gouta Hunderttausende Zivilisten festhielten und als lebende Schutzschilde missbrauchten und damit beabsichtigten, diese Menschen im Bombenhagel der Angreifer sterben zu lassen und vielleicht dadurch ihre eigene Haut zu retten. Lange wurde dies hier der Öffentlichkeit von Politikern und ihren journalistischen Hilfstruppen verschwiegen, um ungestört Propaganda gegen Syrien und Russland betreiben zu können.

Das Leiden der Zivilbevölkerung interessierte allein hinsichtlich seiner Nutzbarkeit für die russophobe Kampagne des regierungsamtlichen Westens und war vergessen, als diese ins Leere lief. Wohl auch deshalb, weil die Verlierer der Schlacht einst von den NATO-Staaten hochgepäppelt wurden, Waffen und propagandistische Unterstützung erhielten, ungehindert nach Syrien einreisen konnten, um ihr blutiges Werk zu vollbringen. Erst als diese Kämpfer, weiter radikalisiert und vom IS in ihre Ausgangsländer zurückgeschickt, zur Bedrohung für ihre Schöpfer wurden, nahmen zum Beispiel die USA halbherzig den Kampf gegen sie auf. Dass es nun aber Assad und Russland schafften, ihre letzten versprengten Reste zur Kapitulation zu veranlassen und damit Hunderttausende Menschenleben retteten, wurmt sie gewaltig, beweist dies doch, dass kluges und zugleich konsequentes Handeln den Weg zur Beendigung des Krieges in Syrien ebnen kann, während der Westen diesbezüglich nichts zustande brachte und nun mit seinem ideologisch geprägten Voluntarismus erneut eine Schlappe erleidet.

Denn die »Rebellen« waren ursprünglich ausersehen, den gewählten syrischen Präsidenten Assad, der den Interessen des Westens in der nahöstlichen Region im Wege stand, zu stürzen und damit Platz für ein prowestliches Regime zu schaffen. Ähnliche Operationen waren bereits in Irak – gegen Saddam Hussein – und Libyen – gegen Gaddafi – in Szene gesetzt worden und hatten dort zu Chaos und Zerstörung jeglicher staatlicher Gewalt geführt, mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung, die zunehmendem Terror, Vertreibung und Hunger ausgesetzt wurde. Aber das interessierte die westlichen Strategen wenig. Sie redeten zwar unaufhörlich von Freiheit und Menschenrechten, die sie in die durch autoritäre Führer regierten Staaten bringen wollten, doch in Wirklichkeit zerstörten sie gewiss nicht lupenrein demokratische, aber funktionierende Gesellschaften; ihnen ging es allein um die Rückeroberung von Machtpositionen in Nahost.

In Syrien ist ihnen das nicht gelungen, auch weil dort ein für nahöstliche Verhältnisse weitgehend säkulares Regime bestand, hinter dem sich durchaus große Teile der Bevölkerung versammelten – und das bis heute tun, in zunehmendem Maße. Dass es zugleich Repression und ein oft brutales Vorgehen gegen die innere Opposition gab und gibt, steht außer Frage, doch Ähnliches – und Schlimmeres – findet sich auch in anderen Staaten der Region, so in Saudi-Arabien, Bahrein, Katar, Ägypten, Marokko, Algerien, der Türkei, ohne dass der Westen zumeist daran Anstoß nimmt. Im Gegenteil, einige dieser Staaten sind seine erklärten Partner – zum Beispiel das viel menschenrechtsfeindlichere Saudi-Arabien als »Sicherheitspartner« oder die Türkei als NATO-Mitglied, die nun einen eigenen völkerrechtswidrigen Krieg in einem bisher davon verschonten Gebiet um Afrin vom Zaun brach. Von der Bundesregierung beschwiegen, aber zugleich mit von ihr gelieferten Waffen geführt.

Ansonsten spielte und spielt man sich in Syrien als Heiliger auf, der ein bedrängtes Volk retten will – und sei es gegen den Willen der Mehrheit seiner Bürger. Man ließ die Bewaffnung der Assad-Gegner zu und unterstützte sie direkt oder über die genannten reaktionären Partner, die ein eigenes Interesse an der Beseitigung des fortschrittlichen Regimes in Syrien hatten, bedrohte es doch ihre mittelalterliche Ordnung. Man nahm in Kauf, dass sich die Auseinandersetzung immer blutiger entwickelte und verzichtete auch auf die Dienste von Gruppierungen nicht, die zum IS gehörten oder ihm zumindest nahestanden und die Bevölkerung in den von ihnen besetzten Gebieten terrorisierten, als Geisel nahmen und fast bis zuletzt von westlichen Politikern und ihren Propagandisten allein dadurch Beistand erfuhren, dass man ihre lügnerischen Darstellungen verbreitete – freilich stets mit dem heuchlerischen Hinweis, ihr Wahrheitsgehalt sei nicht überprüfbar.

Erst als diese Terrorbanden besiegt waren und die Menschen aus den Kellern kamen – die Frauen in der Regel tief verschleiert, während sie in Damaskus nur selten ein Kopftuch tragen – kam auch die Wahrheit ans Licht, doch die meisten der westlichen Berichterstatter interessierte das nicht, denn gewonnen haben aus ihrer Sicht die Falschen. Daher setzen sie auch den Kampf fort, verstärken eher noch ihre Propaganda. Sie halten an ihren verderblichen Zielen fest; wichtiger als Frieden in Syrien ist ihnen der Sturz Assads, ungeachtet der unkalkulierbaren Folgen. Der USA-Präsident droht gar mit Militärschlägen gegen die syrische Regierung; auch ihm geht es nicht um die Eindämmung des Krieges, sondern um Einflussgewinn gegen den ideologischen Gegner.

Im Verhältnis zu diesem westlichen Amoklauf handelt der russische Präsident Putin eher pragmatisch, ohne dabei freilich seine eigenen Interessen aus dem Auge zu verlieren. Im Unterschied zu den führenden westlichen Staaten scheut er nicht das Gespräch und den Ausgleich mit Staaten, die entgegengesetzte Interessen haben, stellt er Differenzen realistisch in Rechnung und arbeitet aktiv an ihrer Minimierung, indem er jene Belange, die ihm selbst nicht in die Quere kommen, achtet und unterstützt – oft auch gegen westliche Staaten. Er verzichtet auf hysterisches Geschrei, weil er es nicht nötig hat. Die Erfolge seiner Politik auf internationaler Ebene sprechen für sich, während der Westen darauf nur mit Gezeter und einer Druckausübung auf Verbündete, die diese zu willigen Satelliten degradiert, reagiert. Solch ein kontraproduktives Verhalten gebiert immer neue Niederlagen, während sich Putin als »Macher« darstellen kann und dies weidlich nutzt.

Diesem Konzept hat der Westen bislang nichts Wirksames entgegenzusetzen – eine Situation, mit der er in seiner Arroganz und seinem Sendungsbewusstsein nicht fertig wird, wie sich gerade gegenwärtig besonders drastisch offenbart. Denn immer deutlicher zeigt sich, dass der Fall Skripal nur der Auftakt einer generellen Kampagne gegen Russland und speziell den russischen Präsidenten Putin war, dass es die russische Politik als Ganzes ist, die als Grund für die Erhöhung der Spannungen zwischen dem Westen und Russland genannt wird. So bezeichnete NATO-Generalsekretär Stoltenberg die Ausweisung Dutzender russischer Diplomaten aus NATO-Staaten als klare Botschaft an Russland, »dass es Kosten und Konsequenzen für ihr inakzeptables Verhaltensmuster gibt«. Zu diesem »Verhaltensmuster« zählte er das Vorgehen auf der Krim oder an der Grenze zu Georgien ebenso wie Cyberangriffe und die Modernisierung des russischen Atomwaffenarsenals. Andere rechnen die Aktivitäten in der Ost-Ukraine und das Engagement in Syrien dazu oder die angebliche Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf. Es blieb dem neuen deutschen Außenminister Heiko Maas vorbehalten, das trotzige Fazit zu ziehen: »Wir sind nicht mehr bereit, einfach alles so hinzunehmen.«

So geriert sich der Westen als unschuldiges Opfer und blendet die eigenen aggressiven Maßnahmen, die sein Militär bis an die Grenzen Russlands heranführten, geflissentlich aus. Weil im Westen die »Guten« sitzen oder – wie es Bundeswirtschaftsminister Altmaier ausdrückte – »eine moralische Führungsaufgabe wahrnehmen«, braucht es bei Anschuldigungen keiner Beweise; dann genügt es offenbar, schon mal Fakten durch eine abenteuerliche Verschwörungstheorie zu ersetzen, einen politischen Kurswechsel weg von Zusammenarbeit und hin zu Zuspitzung und Konflikt zu erzwingen. Selbst eine Eskalation bis zum offenen Krieg schließt man nicht aus.