Die Angst des Kapitalismus vor einer Alternative

Ein Gespenst geht um in den deutschen Parteizentralen von rechts bis links – das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des heimischen Establishments haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen das Gespenst verbündet, die CSU mit einer Verbotsdrohung, die SPD mit zitternd erhobenem Zeigefinger, die FDP mit einem als rettend empfundenen Wahlkampfslogan und in Teilen auch die Linkspartei, beleidigt auf dem Sofa sitzend. Sie alle schleudern Donnerblitze gegen ein Phantom, das es in der Realität überhaupt nicht gibt, geschweige denn gab. Sie nehmen dazu jene in Haftung, die sich anmaßten, den Kommunismus zu vertreten und doch nur Kleinbürger waren – allerdings solche von der schlimmsten Sorte.

Sie blenden dabei sämtlich aus, dass in der Gesellschaftsentwicklung das Ziel eben nicht der Weg ist, sondern etwas, das mit einer Utopie beginnt und allmählich die Wege zu deren Verwirklichung finden muss. Wege selbstverständlich, die der Utopie gemäß sind. Daran hat es bislang gemangelt; wer sich zum Kommunismus auf den Weg machte, kam – zwangsläufig – aus der bürgerlichen Ecke, und keiner von ihnen, zumindest nicht von jenen, die Macht ausübten, konnten sich aus der bürgerlichen Denk- und Handlungsweise lösen; im Gegenteil, sie ließen sich nicht einmal von bürgerlichem Pragmatismus bremsen, sondern betrachteten ihr Ziel als so heilig, dass ihnen kein Mittel auf dem Weg dahin zu schmutzig war. Sie stehen damit in der Tradition aller bisherigen Gesellschaftsentwürfe – weit entfernt vom Kommunismus, den sie freilich auf diese Weise als Idee beschmutzten.

Während also Gesellschaftssysteme wie der Feudalismus oder Kapitalismus bereits wirklich existierten oder noch existieren und ihre Blutspur in der Geschichte unübersehbar ist, hat es der Kommunismus, wie ihn einst Marx in groben Umrissen entwarf, noch gar nicht gegeben. Wäre eine Gesellschaftsordnung tatsächlich nach den theoretischen Vorgaben des originären Marxismus errichtet worden, wäre sie ungleich gerechter und lebenswerter als alles, was es bisher auf der Welt gab. Allerdings fehlt vorläufig jeder Beleg dafür, dass so etwas angesichts der Natur der Menschen funktioniert.

Daran sind jene gescheitert, die – weil eben selbst im alten gesellschaftlichen und politischen System erzogen und verhaftet – den Kommunismus vorgeblich anstrebten und denen nichts Besseres einfiel, als ihn mit Zwang und durch Gewalt durchzusetzen. Damit aber wurde sein wichtigstes Merkmal, nämlich das der Freiheit und Selbstbestimmung, ausgelöscht – und damit faktisch die Grundidee des Kommunismus selbst. Jeder, der den Menschen zum Glück des Kommunismus zwingen wollte, hat ihn – ganz gleich, auf welcher Ebene, mit welcher Intensität und welchen Folgen er das tat – verraten, und seine Kennzeichnung als Kommunist, ob durch ihn selbst oder andere, ist nichts als eine Lüge.

Daraus jedoch ergibt sich ganz zwangsläufig, dass die Suche nach Wegen zum Kommunismus weitergehen muss und weitergehen wird. Und das ist es schließlich auch, was die Parteigänger der Kapitalismus so erschrecken lässt. Sie wissen schließlich genau, dass die bestehende Ordnung des Kapitalismus ihre Unvollkommenheit bei der Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen längst nicht mehr verbergen kann und letztlich nur noch existiert, weil etwas Besseres bisher realiter nicht gefunden wurde. Besonders deutlich war jüngst das Versagen des Kapitalismus in der Wirtschaft; er war und ist dabei, sich diesbezüglich selbst aufs Spiel zu setzen. Inzwischen wird es auch in der Politik sichtbar, wo echter Parlamentarismus zunehmend degeneriert und die Bemühungen sich verstärken, an seine Stelle autoritäre staatliche Strukturen zu setzen. Sei es durch die Aushöhlung einer unabhängigen Justiz in den USA (Guantanamo, Militärgerichtsbarkeit, Geheimgefängnisse, Vorgehen gegen Wikileaks) und anderswo.  Sei es durch die Einschränkung der Pressefreiheit, wofür gerade Ungarn das anschaulichste Beispiel liefert. Sei es durch Bestrebungen der hiesigen schwarz-gelben Koalition, das Mitbestimmungsrecht der Bürger bei der Beschlussfassung über Großprojekte gesetzgeberisch einzuschränken.

Es ist diese immer deutlicher werdende Unfähigkeit des Kapitalismus, die aktuellen Probleme der Menschheit zu bewältigen, die seinen Parteigängern Angst vor möglichen Alternativen macht. Sie scheuen die Diskussion über andere Lösungswege wie der Teufel das Weihwasser – vor allem jene über den Kommunismus, der als Idee nur dann in seiner Attraktivität begrenzt werden kann, wenn man ihn auf die Praktiken jener reduziert, die in seinem Namen schwerste Verbrechen begangen haben, ohne je Kommunisten gewesen zu sein – von Stalin bis Pol Pot. Daraus resultiert die Angst allein schon vor dem Wort Kommunismus und das Bestreben, jeden, der es aus seinem Wortschatz nicht verbannen will, zu kriminalisieren. Rosa Luxemburg, die als Person und mit ihren Auffassungen die Auslöserin der aktuellen Debatte war, hat das erfahren müssen – und auch die brutale Konsequenz, die der Kapitalismus in diesen Tagen vor 91 Jahren daraus zog

Weniger in diesem Sinne strategisch als vielmehr taktisch bedingt dürften die teils wortgleichen Distanzierungen von jeglicher Kommunismus-Diskussion seitens der Wahlkämpfer in der Linkspartei sein – eine angesichts der durchsichtigen Kampagne zwar nachvollziehbare, letztlich aber kleingeistige Position. Denn gerade wegen der Defizite des Kapitalismus und ihrer wachsenden weltweiten Wahrnehmung ist die Debatte über neue Wege zur Lösung der Weltprobleme unabdingbar. Und in diesen Diskurs gehört auch der Kommunismus.

One Reply to “Die Angst des Kapitalismus vor einer Alternative”

  1. „…schwerste Verbrechen begangen haben, ohne je Kommunisten gewesen zu sein – von Stalin bis…“ – bei uns in Russland sagt man: „?????? ???????? ??? ???????, ?? ??????? ??????????? ??? ??????????. ???? ??? ????????? ???????????? – ?????? ????????????? ??? ????????.“ (Stalin ist Pruefstein, wer zu ihm negativ verhalt, ist Antikommunist oder Trozkist – das ist das selbe! ??? ?????! ?????.

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