Vor dem Ende des Atomwaffenmonopols

Mit Nordkoreas Atombombentest dürfte die Idee der Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen ultimativ an ihrem Ende sein. Doch Pjöngjangs unterirdischer Versuch ist nicht der Grund für diese Entwicklung, die sich seit langem abzeichnete und durch eine allmählich steigende Zahl von Nuklearmächten gekennzeichnet war; sie ist nur ein weiteres Indiz. Das Ende der Nichtweiterverbreitungsphase eingeläutet wurde bereits vor 15, 16 Jahren, mit dem Ende der Systemauseinandersetzung zwischen Ost und West.
Bis dahin hatten beide Lager die Atomwaffen samt immer stärkeren und immer weiter reichenden Trägerwaffen, und hinter ihnen sammelten sich ihre Satelliten, auch echte Verbündete, die die hohen – finanziellen wie politischen – Kosten scheuten und daher den Schutz der einen oder anderen Seite suchten. Konflikte wurden somit meist von den beiden Weltmächten entschieden – unterhalb der Schwelle eines Atomkrieges, weil die bombe weniger für den Einsatz als für die Abschreckung bestimmt war.
Heute ist dieses Gleichgewicht der Kräfte, das viel stabiler als gefährlich war, zerbrochen. Die Konflikte in der Welt werden wieder unmittelbar ausgetragen – auch unter Beteiligung der früheren Großmächte – und niemand ist da, der die Schwächeren vor Stärkeren schützt. Also versucht jetzt jeder, der sich – ob berechtigt oder nicht – bedroht fühlt, zu einem der Stärkeren zu werden, und als das wirksamste Mittel dazu erscheint die Atombombe. Für den Angriff werden sie die wenigsten nutzen wollen; sie soll auch ihnen vor allem als Abschreckungsinstrument dienen, doch viel unkontrollierter, viel unsicherer als früher. Man stelle sich vor, dass dereinst vielleicht hundert oder mehr Staaten über Nuklearwaffen verfügen – und man weiß, welche Gefahr künftig über uns schwebt.
Und dennoch ist es billig, weil letztlich undemokratisch und wohl auch völkerrechtswidrig, den nach der Atombombe Strebenden daraus einen Vorwurf zu machen. Sie nehmen für sich nur das gleiche Recht in Anspruch, über das andere zum Teil schon lange verfügen. Bisher konnten sie in der Regel den Eindruck haben, dass die Atommächte mit diesem Privileg verantwortungsvoll umgehen; der scheint zumindest einigen inzwischen abhanden gekommen sein. Und daher ist diese Entwicklung nur durch eine Politik zu stoppen, die allen und nicht nur einigen von den Großmächten auserwählten Staaten so viel Sicherheit gibt, dass sie der atomaren Abschreckung nicht bedürfen. Obwohl die Zeit drängt, ist soviel Vernunft aber weit und breit nicht zu sehen.Siehe auch:Harald Maass: Kims Orovokation (Frankfurter Rundschau v. 10.10.2006)
www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/meinung/kommentare_aus_der_zeitung/Ewald Stein: Machtlüsterner Trotzkopf (Handelsblatt v. 09.10.2006)www.handelsblatt.com/news/Wissenschaft-Debatte/Kommentar/_pv/grid_id/709794/_p/204051/_t/ft/_b/1146593/default.aspx/kommentar-machtluesterner-trotzkopf.html