Wladimir Putin und das Gleichgewicht

Der Mensch lernt beizeiten, wie stabilisierend es für den eigenen Lebensweg ist, wenn man sein Gleichgewicht behält. Der Welt geht es nicht anders; auch sie kann aus den fugen geraten, wenn sich die Gewichte dramatisch verschieben. Dies und nichts anderes dürfte es gewesen, was Wladimir Putin gestern meinte, als er in München vor einer unipolaren Welt warnte. Nur »noch eine Macht, ein Kraftzentrum, die Welt eines Herrschers, eines Souveräns« würde neben allen anderen Verwerfungen diesen Souverän selbst zerstören – vor allem deshalb, weil er die moralische Grundlage für eine moderne Zivilisation nicht liefern kann. Putin zeigte unverhohlen auf die USA und Ihr Weltherrschaftsstreben. Er machte klar, dass sich sein Land damit nie abfinden wird.

Die Propagandisten des Westens werteten diese Rede in schönster Sprachregelung als »Rückfall in den kalten Krieg« und zeigen sich empört. Das ist Heuchelei, denn der Westen mit USA und NATO an der Spitze war es, der nach dem Ende des kalten Krieges schon bald mehr und blutigere heiße Kriege vom Zaune brach, als es sie bis dahin gegeben hat. Und er scheint damit nicht an sein Ende gekommen, wenn man nur die allgemeine Aufrüstung und die militärische Globalisierung betrachtet, die zur allgemeinen Praxis geworden sind. Ist es da ein Wunder, wenn sich manchem der Eindruck aufdrängt, in Zeiten des kalten Krieges sei die Welt sicherer gewesen als heutzutage.

Wie recht Putin hat, bewies postwendend der amerikanische Senator John McCain, der sich einige Male mit Präsident Bush anlegte, um danach alsbald doch zu Kreuze zu kriechen. Er gilt als einer der republikanischen Kandidaten für die nächste US-Präsidentschaft und kritisierte natürlich das russische Bestehen auf Eigenständigkeit, einen eigenen Weg. Für ihn ist klar, dass sich auch Russland »den Kernwerten der euro-atlantischen Demokratien« als Voraussetzung für »Teilhaberschaft mit dem Westen« anzuschließen hat; ansonsten sei »unnötige Konfrontation« nicht auszuschließen. Es ist der westliche Anspruch zu bestimmen, wie die Welt sich zu drehen hat, der sie unsicherer Macht. Dadurch bekommt sie jene Unwucht, deren Gefährlichkeit wie derzeit beobachten können. Dies auszutarieren, ein neues Gleichgewicht zwischen Ebenbürtigen zu schaffen, scheint dringend nötig.

5 Replies to “Wladimir Putin und das Gleichgewicht”

  1. Putins Äußerungen an die Adresse der USA haben schon Bestand, dennoch darf nicht vergessen werden, dass in Russland Regimekritische Menschen getötet werden oder immer noch Krieg in Tetschenien ist. Von den Menschenrechten her darf man dort eine parallele zu der USA Politik ziehen. Russland ist von einer Demokratie weit entfernt und Putin teilt diesmal Kritik aus, die er sonst selbst einstecken darf.

  2. Natürlich ist auch Putin kein Waisenknabe, was Machtgebaren angeht. Aber ist seine Kritik an den USA deshalb falsch? Und ist es nicht vielleicht gut, dass wenigstens er den Amerikanern etwas entgegenzusetzen versucht. Natürlich wäre es besser, das täten vor allem „lupenreine Demokraten“. Doch denen scheint es am nötigen Mut zu fehlen.

  3. Pingback: Flugphase
  4. Die Reaktionen der deutschen Medien waren so berechenbar wie substanzlos.
    Wenn Welt & Co. schreiben „Putin hätte die neue Bedrohungslage“ wohl nicht erkannt, so kann man ihnen entgegnen – Doch ER hat sie erkannt, IHR anscheinend noch nicht.

    Ich habe mir darüber in meinem neusten Artikel ausführlich Gedanken gemacht:

    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/?p=24

    Beste Grüße

    Der Spiegelfechter

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