Die beeindruckendste Leistung im Zusammenhang mit der Rentendiskussion ist jene, mit der es gelang, die Betroffenen der anstehenden Rentenkürzung zugleich zu den Verursachern zu machen. Seit Jahren wird uns eingebläut, dass angeblich ein demografischer Faktor die Erhöhung des Rentenalters nötig mache; weil immer weniger im Arbeitsprozess stehen, müssen sie für immer mehr Alte aufkommen.
Das mit den demografischen Veränderungen stimmt zwar, doch die damit verbundene Schlussfolgerung ist schlicht falsch. Sie lässt nämlich außer acht, dass die bisherige Rentenformel an den Produktionsfortschritt gebunden war. Die Produktivkraft Mensch bestimmte wesentlich über die Rentenzahlungen; von ihr ausgehend wurde auch der paritätische Anteil des Unternehmers zur Rentenversicherung festgelegt. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch eine grundlegende Verschiebung im Anteil von Mensch und Technik bei der Produktivitätsentwicklung vollzogen. Viel mehr als der Mensch bestimmen heute Technologie und Technik die Produktivkräfte; Gewinne der Unternehmen werden vor allem aus ihnen erwirtschaftet; der Mensch ist jetzt eher ein Kostenfaktor, weshalb der Trend auch weiterhin zu dessen »Freisetzung« gehen wird.
Daraus ist zu schließen, dass das Rentensystem auf eine völlig neue Basis gestellt werden muss, wenn es künftig funktionieren soll. Das Festhalten an der umlagefinanzierten Rente löst kein Problem; schon wird von Rente mit 70 gesprochen, und es ist klar, dass da noch lange nicht Schluss ist. Die Rente muss wieder an den Produktivitätsfortschritt gekoppelt werden, das heißt, die Unternehmer müssen einen Teil ihrer exorbitanten Gewinne der Rentenkasse zuführen. Sie sind es nämlich, die finanziell allein vom Produktivitätsfortschritt profitieren. Ihre Gewinne sind so sprunghaft gestiegen, dass sie sich nicht nur märchenhafte Gehälter zuschieben können. Sie unternehmen mit dem Geld auch waghalsige Börsenoperationen, wie zum Beispiel die Hedge-Fonds. Schon müssen Währungshüter gegensteuern, wie erst dieser Tage die Europäische Zentralbank, die ihre Zinserhöhung ausdrücklich auch mit der schnell wachsenden Geldmenge begründete. »Die Welt schwimmt im Geld«, kommentierte die HypoVereinsbank.
Es ist auch das Geld, das den Rentnern genommen wird. Das entfesselte Kapital fühlt sich für die Gesellschaft nicht verantwortlich; es denkt nur an den eigenen Vorteil. Das kann man ihm nicht einmal übel nehmen. Aber dass Politiker fast jeder Coleur die falschen Sprüche der Unternehmer nachplappern, ist mehr als nur ein Armutszeugnis; es belegt, dass sie sich mit ihnen in einem Boot fühlen.