Vietnam am Hindukusch

Nun machen auch Militärs anderer NATO-Staaten die Erfahrung, die ihre amerikanischen Verbündeten in Vietnam und ganz ähnlich wie die Sowjetsoldaten auch schon in eben jenem Afghanistan dem die NATO jetzt kämpft, machen mussten: Dass ein Krieg in einem überfallenden Land nicht zu gewinnen ist und man früher oder später von dort in Schimpf und Schande abziehen muss. Selbst die Taliban – im eigenen Land bei vielen ob ihres Festhaltens an mittelalterlichen Gepflogenheiten verhasst – kämpften sich gegen die hochgerüstete NATO-Truppe in einen Vorteil und fügen seit Monaten ihrem technisch weit überlegenen Gegner zunehmende Verluste zu. Schon beklagen die Engländer im Süden Afghanistans 40 Tote seit 2001, und selbst im stets als ruhig bezeichneten Norden verlor die Bundeswehr bereits 18 Soldaten. Insgesamt seien allein in diesem Jahr schon 100 ausländische Militärs getötet worden, weshalb die NATO jetzt einräumte, dass sie sich gegenwärtig in der schwersten Auseinandersetzung ihrer Geschichte befindet – und das will nach den Jahrzehnten kalten Krieges, dessentwegen sie ursprünglich gegründet worden ist, viel heißen. Aber Militärs – das kennen wir bereits von den USA in Vietnam und der Sowjetarmee im Afghanistan der 80er Jahre – brauchen lange, um ihre Niederlage einzugestehen. Sie glauben fast bis zum bitteren Ende, durch Verstärkung des militärischen Engagements, zusätzliche Truppen das Verhängnis noch aufhalten zu können. Und führen es doch umso sicherer herbei. Denn Ergebnisse solcher Ignoranz sind eine wachsende Zahl sinnloser Menschenopfer und und langjähriger politischer Schaden in der Region und weit darüber hinaus. Genau diesen Weg hat die NATO mit ihren neuesten Beschlüssen, die die Aufstockung des ISAF-Kontingents um 12 000 US-Amerikaner vorsehen, jetzt beschritten. Und die Bundesrepublik assistierte dabei, indem sie den Einsatz deutscher Soldaten am Hindukusch um ein weiteres Jahr verlängerte.

Siehe auch:

Olaf Standke: NATO-Land am Hindukusch (Neues Deutschland v. 29.09.06)

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=97825&IDC=7