Olmerts Wahrheit, Olmerts Lüge

Israels Premierminister Ehud Olmert hat die Wahrheit gesagt: »Iran hat offen, öffentlich und ausdrücklich damit gedroht, Israel von der Landkarte ausradieren zu wollen. Kann man sagen, dies ist das gleiche Niveau, wenn sie nach Atomwaffen streben, wie Amerika, Frankreich, Israel, Russland?« Er reihte damit sein Land in die Atommächte ein und sprach damit nur aus, was alle Welt seit langem weiß. Doch Wahrheit und Politik gehen oft nicht gut zusammen, und so erntete er für sein Eingeständnis in Israel zornige Empörung. Schließlich hatte man dort einen Dissidenten, den Atomwissenschaftler Mordechai Vanunu, für genau die gleiche Wahrheit, die er allerdings schon vor 21 Jahren aussprach, 18 Jahre ins Gefängnis gesteckt und bestraft ihn auch heute noch mit einem Ausreiseverbot.

Was also tun? Olmert kehrte zur jahrzehntelang gehegten Lüge zurück. »Israel hat gesagt, dass es nicht das erste Land sein wird, das Atomwaffen im Nahen Osten einführen wird. Das war unsere Position, das ist unsere Position, und das wird unsere Position bleiben«, sagte er heute in Berlin. Und auf dieser Lüge, die der Ministerpräsident wenige Stunden zuvor selbst in Frage gestellt hatte, baut das Land weiter seine Politik auf. Denn wenn es nach der Wahrheit ginge, müsste Israel seine Nuklearanlagen von der Internationalen Atomagentur überprüfen lassen; bekanntlich ist die Verweigerung solcher Kontrollen für viele Staaten und auch die UNO ein Kriegsgrund. Es müsste sich auf Vorschläge für eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten einlassen, mit denen man auch anderen Ländern – wie dem angesprochenen Iran – den Besitz von Nuklearwaffen verweigern könnte. Es könnte, um es positiv zu sagen, von dieser Position eigener Stärke sogar in Verhandlungen zur generellen Lösung des Nahostkonfliktes gehen; glaubwürdiger jedenfalls als mit einer Lüge im Rücken.

Es ist eben wie im normalen Leben: Man kann mit einer Lüge eine Zeitlang durchkommen, aber nicht auf alle Ewigkeit. Und mit der Wahrheit gerät man mitunter in einige Schwierigkeiten, aber man gewinnt zugleich Spielraum für einen Neuanfang. Es sieht allerdings nicht so aus, als sei diese simple Tatsache in Israels Regierung schon angekommen; man muss vielmehr befürchten, dass Olmerts kurzzeitige Wahrheitsliebe nicht mehr war als ein Freudscher Versprecher.

Siehe auch:

Olaf Standke: Olmerts atomarer Tabubruch (Neues Deutschland vom 13.12.2006)

 www.nd-online.de/artikel.asp