Er, der auf keine Regierungspartner und Parteiflügel Rücksicht nehmen muss, zieht sein Programm durch – und stört die Kreise der Regierung dadurch erheblich. So kürzlich beim Verbraucherinformationsgesetz, wo er gnadenlos den Pfusch bei der von Angela Merkel so hoch gelobten Föderalismusreform enthüllte. Oder zuvor mit seiner Kritik an Rüttgers‘ verbaler »Arbeiterführerschaft«, in der das durch seine frühere Karriere der Wirtschaft und den Banken verpflichtete Staatsoberhaupt nichts anderes als einen Verrat an den Absprachen mit Merkel sehen kann. Also gießt er ihr reichlich Wasser in den ohnehin schon dünnen Wein – eben wie bei Goethe: »Nass und nässer wird’s im Saal und auf den Stufen. Welch entsetzliches Gewässer!«
Die Union ist des Bundespräsidenten inzwischen so überdrüssig, dass sie ihm mit dem droht, was Abtrünnige in Parteien immer zu gewärtigen haben – mit Postenentzug. Mit einer Wiederwahl könne er 2009 nicht rechnen, wird aus der CDU/CSU-Fraktion gestreut. »In die Ecke, Besen! Besen« hieß es ja schon bei Goethe. Man sehnt sich jetzt nach einem anderen Verbündeten bei der Durchsetzung der eigenen Gesetze – das in den langen Jahren unter Helmut Kohl mit einer konservativen Mehrheit ausgestatteten Bundesverfassungsgericht. Es werde durch Köhlers Einsprüche – derzeit sind es erst zwei – an der Ausübung seiner Aufgabe gehindert – wobei freilich offen ist, ob sich Karlsruhe botmäßiger verhalten würde als der Präsident.
Außerdem, so ein anderer Vorwurf, erwecke das Staatsoberhaupt den Eindruck, die Koalitionäre handelten häufig verfassungswidrig, »wir Parlamentarier stehen alle mit einem Fuß schon im Gefängnis«, wie sich CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer mokierte. Wenn Horst Köhler solches tatsächlich im Sinn hätte, könnte er dafür allerdings leicht einen alten Kronzeugen finden – und den auch noch aus der CSU. Schon 1962 hatte der damalige Innenminister Hermann Höcherl der unionsgeführten Regierung im Zusammenhang mit der Spiegel-Affäre attestiert, sie habe sich »etwas außerhalb der Legalität« bewegt, doch schließlich könne man nicht dauernd mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen. Sehr geändert haben sich die Zeiten offensichtlich nicht.