Bei Geheimdiensten ist zwar grundsätzlich alles möglich, aber dass sich brave deutsche BND-Beamte zu derart eigenmächtigen Aktionen entschließen, die die Politik der eigenen Regierung erheblich konterkarieren, wie das aus Kosovo berichtet wurde – das erscheint denn doch sehr unwahrscheinlich. Und inzwischen gestehen selbst Regierung und Justiz in Pristina ein, dass belastbare Beweise gegen die drei deutschen Agenten wohl nicht vorliegen.
Aber macht das die Sache für sie tatsächlich besser? Die Empörung deutscher Stellen und fast des gesamten politischen Lagers, Geheimdienst-Skeptiker eingeschlossen, über das kosovarische Vorgehen gegen die drei bundesdeutschen Spione ist reichlich heuchlerisch, denn natürlich hat jeder souveräne Staat – und als solcher wird Kosovo der Weltgemeinschaft gerade auch von Deutschland wärmstens zur Anerkennung anempfohlen – das gute Recht, Spionageaktivitäten auf dem eigenen Territorium zu verfolgen und die daran Beteiligten nach eigenem Gutdünken zu bestrafen. Das aber führt sehr schnell zu der Frage: Was hat der BND eigentlich in Kosovo zu suchen, noch dazu mit verdeckten Kräften? Und die schnell gegebene Antwort, es gehe um den Schutz von 2200 dort stationierten Bundeswehrsoldaten, provoziert natürlich sofort die gleiche Frage für solches Engagement. Derartige Fragen jedoch sind unerwünscht und werden deshalb gar nicht erst gestellt – natürlich nicht ohne Grund.
Denn der Vorgang erhellt in aller Deutlichkeit die Sackgasse, in die sich die deutsche Politik seit den 90er Jahren auf dem Balkan begeben hat. In dem Bestreben, den lebensfähigen Bundesstaat Jugoslawien, der vielleicht als einziger einen sozialistischen Anspruch glaubwürdig vertreten hat, weshalb er gerade in der nichtpaktgebundenen Welt hohes Ansehen genoss, erst zu destabilisieren und dann zu zerschlagen, öffneten NATO und EU eine Büchse der Pandora, aus der allerlei zwielichtige und daher für das angestrebte Werk brauchbare Gestalten aufstiegen – und in deren Gefolge blutige Konflikte, Kriege, andauernde Unruheherde, lebensunfähige staatliche Gebilde. So ist ohne Zweifel zutreffend, was der BND vor einige Jahren über Kosovos Ministerpäsidenten Hashim Thaci geschrieben hat, dass er nämlich »ein im gesamten Kosovo aktives kriminelles Netzwerk« kontrolliert; nichtsdestotrotz vertraute man diesen Vertreter der organisierten Kriminalität den künstlich geschaffenen Staat Kosovo an; einer der Erfinder solchen Schwachsinns , der finnische Ex-Präsident Martti Ahtisaari, wurde dafür sogar mit dem Friedensnobelpreis belohnt.
Der Wahnsinn hatte jedoch Methode, denn es ging in erster Linie darum, Serbien, das Thaci zum Todfeind Kosovos erklärt hatte, zu schwächen. Ist Serbien doch im Verständnis des Westens der eigentliche Nachfolgestaat Jugoslawiens, jener zumindest, der noch immer an sozialistischen Relikten festhält – was ihn mindestens so verdächtig macht wie hierzulande die Linkspartei als Nachfolgerin der SED. Es sind also ideologische Gründe, die zur Zerschlagung Jugoslawiens, der Ächtung Serbiens und – nach dem berühmt-berüchtigen Prinzip »Teile und herrsche« – zu unbedeutenden Kleinstaaten führten, die man leicht unter Kontrolle zu halten glaubte. Dies jedoch erwies sich als Fehleinschätzung – schon bei Bosnien-Herzegowina und Mazedonien, nun auch bei Kosovo. Denn die hochgepäppelte korrupte und gar kriminelle Clique, die man so an die Macht brachte und dort – oft gegen den Willen der betroffenen Menschen – hält, denkt gar nicht daran, sich den Wünschen ihrer einstigen Mentoren zu unterwerfen. Sie spielen ihr eigenes Spiel, und daher braucht es – neben eigennützigen Interessen einer solchen Besatzung – ausländischer Truppenpräsenz und auch geheimdienstlicher Überwachung der ungeratenen Kinder, damit das von ihnen entfachte Feuer rechtzeitig erkannt und vielleicht noch ausgeschlagen werden kann. Nicht aus der Kälte kehrten die jetzt frei gelassenen BND-Spione nach Deutschland zurück, sondern eher aus einer Hitze, die die eigene Regierung selbst geschürt hatte.
Es wird nicht der letzte Brandherd auf dem Balkan gewesen sein, denn die dortigen Urheber bleiben natürlich an der Macht, und NATO wie EU halten ihnen weiter die Stange. Sie haben auch kaum eine andere Wahl, wollen sie nicht den Zusammenbruch ihrer gesamten Strategie riskieren. Thaci jedenfalls hat den Kampfanzug, in dem er früher stets zu sehen war, längst gegen den Nadelstreifenanzug getauscht. Auch diesbezüglich mag er nach dem Motto handeln: Wie der Herr, so’s Gescherr!