Es sieht ziemlich penetrant nach Hofberichterstattung aus – und hat insofern sogar eine gewisse Logik. All jene, die liebend gern über die Wichtig- und Nichtigkeiten gekrönter Häupter berichten würden und sich mangels vorzeigbarem Personal hierzulande zum Ausweichen in diverse Monarchien anderswo gezwungen sehen, haben nun endlich die wahren Kaiser und Könige Deutschlands gefunden – in den Chefetagen namhafter Konzerne. Bislang haben die Geldleute der verschiedensten Branchen und ihre dienstbaren Manager ein allzu helles Licht der Öffentlichkeit gescheut, ließen sich doch ihre Geschäfte viel besser im Verborgenen abwickeln. Seitdem es ihnen aber nun nicht mehr ganz so gut geht und sie vor allem für die Verwerfungen der Wirtschafts- und Finanzkrise verantwortlich gemacht werden, zieht es sie plötzlich vor die Scheinwerfer – natürlich nicht, um dort Verantwortung für ihr gieriges Raffen zu übernehmen, sondern sich selbst als die am schwersten getroffenen Krisenopfer zu inszenieren.
Und die Medien tun ihnen natürlich diesen Gefallen, haben sie doch endlich ihre Dynastien und ihren Adel, an denen sich Höhenflüge wie tiefe Abstürze menschlicher Existenzen so tränenreich darstellen lassen. Unternehmensdynastien und Geldadel treten an die Stelle der Gekrönten und der Blaublütigen; der Unterschied ist auch deshalb unerheblich, weil die Wirtschaftskönige längst das Gebaren letzterer angenommen haben – im Umgang miteinander ebenso wie bei der Ausstellung ihrer Machtinsignien und jetzt auch noch ihrer »Verarmung«..
So machte sich die Bildzeitung zur Klagemauer für die Milliardärin Madeleine Schickedanz, die zwar auf eine 20000-Quadratmeter-Grundstück lebt, aber ansonsten nur 500 bis 600 Euro im Monat zur Verfügung hat, weshalb sie ohne Obst, Gemüse und Kräutern aus dem eigenen Garten kaum über die Runden käme. Sie kann vor Sorge um ihre Zukunft wie das Erbe für ihre Kinder kaum noch schlafen und fühlte sich – auf Urlaub in St. Moritz – einmal gar dem Tode nahe. Man kennt das alles von den verarmten Adligen auf ihren Schlössern; nun hat es also die reichen Bürgerlichen erwischt. Sollte man nicht ein Spendenkonto einrichten?
Kaum weniger Anteil nimmt der Medienmarkt am Schicksal vom »King Wendelin«, wie die »Berliner Zeitung« den Ex-Porsche-Manager nannte, der vom »Referent des Königs« abgelöst worden sei. »Tränen zum Abschied« habe er ob seiner »schmerzenden Seele« vergossen; da geht doch dem gemeinen Bürger, der solche Unbill nie ertragen muss, das Herz auf, und am liebsten würde er ihm ein Schmerzensgeld zur Aufbesserung seiner kleinen Abfindung von 50 Millionen Euro spendieren, von denen Wiedeking, bescheiden wie er ist, doch nur die Hälfte behält und die andere stiftet – wofür auch immer.,
Wer wollte angesichts des »Elends« jener, die es nicht gewohnt sind, weshalb sie ganz besonderer Anteilnahme bedürfen, noch an die eigene schlimme Lage erinnern. Schließlich erträgt man die bereits seit langem, hat sich darin eingerichtet, wird damit fertig. Wie gut, dass man nicht reich ist; da hat man eine ganze Menge Sorgen weniger.
Jaja, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Aber besonders gemein sind diese politischen Linken, die doch ansonsten immer für die sozial Schwachen eintreten und sich für soziale Gerechtigkeit stark machen – aber alles nur leere Worte, wie man jetzt angesichts des „Elends“ der ungekrönten Häupter im Big Business sieht. 😉
Warum die Nummer mit den „armen Reichen“ beim Publikum immer noch so gut ankommt, mögen uns Tiefenpsychologen vielleicht einmal näher erklären.
Mir wurde schon früher, wenn ich mit arm gewordenen Superreichen so gar kein Mitleid empfinden konnte, öfters entgegengehalten: „verarmt ist schlimmer als arm“. Fand ich nicht, und finde es heute auch nicht. Die haben es eine Zeitlang sehr gut gehabt – sollen sie ruhig jetzt mal die Erfahrung machen, wie es normalen Leuten geht. – Wenn das mit den 600 Euro von der Schickedanz denn stimmen würde :-D. Die wird schon noch ein paar Perlenketten in ihrer Schmuckschatulle zum Verscherbeln haben. Ich sehe sie eher als Tramperin an der Autobahnauffahrt stehen mit einem Schild „Liechtenstein“….
Dass Wiedeking die Hälfte seiner Abfindung in eine Stiftung gibt, ist einfach nur im Einklang mit dem Grundgesetz Artikel 14 Abs. 2: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Nicht dass er es tut, verdient besondere Bewunderung, sondern dass die anderen in seiner finanziellen Situation es nicht tun, ist empörend.
@ eule 70
Wenn Wiedeking von 50 Millionen Euro (!) Abfindung die Hälfte für angeblich wohltätige Zwecke spendet, ist aber auch das nur der sprichwörtliche Tropfen auf den „heißen Stein“. Seine Hinterlassenschaft bei Porsche soll sich ja auf 10 bis 14 Milliarden Euro Miese (!) belaufen. Dagegen mutet Grete Schickedanz‘ „Armut“ fast schon erträglich an. 😉
Das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist zutiefst verrottet.