Afghanistan braucht die NATO-Besatzer nicht

Viel mehr als der Tod dreier Bundeswehrsoldaten hat die kurz darauf erfolgte Erschießung von sechs afghanischen Militärs durch Deutsche das Dilemma des NATO-Krieges am Hindukusch, den nun auch Verteidigungsminister zu Guttenburg – wenigstens »umgangssprachlich« – so nennt, deutlich gemacht. Die westlichen Besatzer sehen im Zweifel in jedem Afghanen erst einmal den Feind und handeln – zumal in unübersichtlichen Situationen – entsprechend. Sie bestätigen damit, wenn auch ungewollt, dass sie einen Krieg nicht nur gegen eine Gruppe der afghanischen Gesellschaft, die Taliban, führen, sondern gegen das Volk Afghanistans in Gänze. Sie tun das zwangsläufig, denn die Taliban sind eben auch Afghanen, die – auch wenn ihre Ideologie und ihre Praxis nicht jedem gefällt – nicht einfach ausgerottet werden können. Sie werden in jeder künftigen Lösung eine wichtige Rolle spielen. Den Fremden aus Amerika, Europa oder sonst woher möchte man diese Rolle nicht zubilligen; das ist afghanische Tradition seit je. Afghanistan braucht die Besatzer nicht, es will seine Probleme selbst lösen – und kann es auch, allerdings ohne Berücksichtigung der höchst eigensüchtigen Interessen des Westens, die die Lage nur verschlechtern..

Wie sehr sich eine solche Sicht der Dinge in Afghanistan bereits durchgesetzt hat, zeigt der unerwartete Versuch eines Frontwechsels durch Präsident Karsai. Vom Westen als sein Statthalter eingesetzt, spielte er diese Rolle lange bis zur Selbstverleugnung, nahm Tausende tote Landsleute in Kauf, fälschte mit wohlwollender Duldung seiner Mentoren gar die Wahlen, um den »Regierungsauftrag« nicht zu gefährden. Dafür sicherten die Bajonette der NATO seine Macht – und natürlich der Kauf innerafghanischer Stammesfürsten mittels Umlenkung von Aufbaugeldern in deren Taschen. Nun, da diese Quelle zu versiegen droht, und wohl auch, weil Karsai an den Erfolg weiterer amerikanischer oder sonstiger Offensiven zu Recht nicht mehr glaubt, sucht er nach einer neuen Machtbasis und kann dabei die Taliban nicht mehr ausschließen. Trotz aller eigensüchtigen Motive des Präsidenten und gewiss noch lang andauernder blutiger Machtkämpfe ist das letztlich der einzig Erfolg versprechende Weg zum Frieden.

Die NATO jedoch zeigt sich irritiert, geht es ihr doch nicht um den Frieden am Hindukusch schlechthin, sondern um eigene strategische Interessen im Fernen Osten. Sie ruft Karsai so entschieden wie bisher kaum einmal zur Ordnung; man bedeutet ihm, dass es auch ohne ihn gehen könnte, wenn er nicht mehr spurt. Und die Bundeswehr erörtert allein, wie durch neue Hubschrauber und Panzer der Krieg in Afghanistan eskaliert werden kann, statt ihn zu beenden. Helfen wird das letztlich alles nichts. Das afghanische Beispiel zeigt einmal mehr, dass die Souveränität und Unabhängigkeit eines Volkes auf Dauer nicht zu unterdrücken ist – aller Militärmacht zum Trotz. Auch die NATO wird um diese Erfahrung nicht herum kommen.

3 Replies to “Afghanistan braucht die NATO-Besatzer nicht”

  1. Ich habe mal die Grundfrage gelernt, „wem nützt es?“ und wenn ich jetzt höre, dass unsere „Jungs“ schlecht ausgerüstet sind und wir der weltweit drittgrößte Waffenproduzent sind, gibt es für mich nur eine Schlußfogerung! Wir übersehen dabei nur, dass für diesen Gewinn Menschen auf beiden Seiten sterben das höchste Gut der Zivilisation.

  2. Druck erzeugt Gegendruck und Gewalt wiederum Gewalt!
    Damit auf Dauer einen Gewinn – egal welcher Art – zu erzielen, ist unmöglich.
    Gut, dass die Deutschen langsam aufwachen und die Täuschung unserer Regierung erkennen. Leider mussten erst ein paar deutsche Soldaten zu Grabe getragen werden, bis die Wahrheit ans Tageslicht kam…

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