„Der Libanon soll wieder Reiseziel werden…“

Von Rudolf Hempel

Nach dem 11. September 2001 war das Interesse an Reisen in islamische Länder spürbar gesunken. Betroffen auch der Libanon mit seinem UNESCO-Weltkulturerbe. Dieses Land sogar doppelt: der Bürgerkrieg (1975-1990), die Invasionen von Syrien und Israel sowie bis 2008 dauernde Anschlagserien hatten verheerenden Folgen für Wirtschaft, Infrastruktur, Kultur – auch für den Tourismus.
Nun boomen, geradezu antizyklisch, Wirtschaft und Finanzwesen. Dazu habe sich, so Tourismus-Experten, das „gefühlte Sicherheitsrisiko“, verringert. Was immer das auch heißen mag: Veranstalter wie Studiosus und Biblische Reisen führen den Libanon und/oder die Region (zzgl. Syrien, Jordanien) wieder im Programm. Germania fliegt nun von Berlin und Düsseldorf aus Nonstop nach Beirut. Und immerhin: Die „New York Times“ wählte die liba¬nesische Metropole auf Platz 1 in der Liste ihrer Reisetipps „44 Places to Go“.

In der auf einer felsigen Halbinsel am Mittelmeer errichteten 1,5 Millionen Einwohner zählen¬den libanesischen Metropole gehört die Saad Zaglouhl Street zu den modernen Straßen in einer immer noch vom Kriege gezeichneten Stadtregion. Hier hat ein Unternehmen sein Domizil, das sich SOLIDERE nennt und dessen Losung „Zukunft“ heißt.

Lars Seiler, ein Berliner Architekt, der die Verhältnisse nach längeren Aufenthalten vor Ort gut kennt: „Die Aktiengesellschaft wurde im Mai 1994 als Antwort auf den Bürgerkrieg mit dem Ziel gegründet, das Beiruter Zentrum wieder aufzu¬bauen und weiter zu entwickeln.“ Sie gelte als ein Prestigeprojekt des im Februar 2005 per Attentat ermordeten Premiers Rafic al-Hariri. Für den zu Lebzeiten nicht unumstrittenen Multimilliardär, Baulöwen, Familienclanchef und seine Leibwächter wurde in einem weißen Zelt, unmittelbar neben der Großen Moschee, eine Gedenkstätte eingerichtet.

Solidere: ein Projekt für die Zukunft

Der AG-Status bringe es mit sich, so Seiler, dass SOLIDERE Planer und gewinnorien-tiertes Immobilien-unternehmen in einem sei. Auf knapp zwei Millionen Quad¬ratmetern ent¬steht moderne Infrastruktur: Hotels, Büroräume, Wohngebiete. Eine halbe Mil¬lion Ku¬bikmeter Schutt schaffen Raum für Yachthäfen, die neue Seeuferpromenade, einen grö¬ßeren Park. Das Unternehmen fördert also Wirtschaftswachstum, aber auch die Exklusivi¬tät teurer Ge¬schäfte mit hohen Mieten. Im neuen Areal trifft die wohlha¬bende Oberschicht auf ebensol-che Touristen – die Reichen und Schönen in der händlerfreien Zone mit ihren Nobelre¬staurants, Kaufhallen und Nachtclubs also unter sich.

Schon die erste Visite macht deutlich: Charakter, Geist und Zukunftschancen die¬ses Landes sind seit biblischen Zeiten als Schmelztiegel vieler Zivilisationen bis in die un¬mittel¬bare Ge¬genwart von einer mit Eroberung, Unterwerfung und Herrschaftswandel ver¬bundenen Ge¬schichte abhängig. Sechs Gouvernements, vier Landschaftszonen, 17 von maro¬nitischen Christen sowie sunnitischen und schiitischen Muslimen dominierte Religionsge¬meinschaften geben der parlamentarischen Demokratie mit ihrem pluralistischen Parteien¬system seine staatliche, klimatische und religiöse Struktur.

„Jeder Gast kommt von Gott…“

Das Konfrontationspotential ist hoch. Betroffen davon waren schon Journalisten, in bestimmten Regionen könnten es auch Touristen sein. Ungeachtet dessen herrscht im Libanon auch eine von Legenden, Rätseln und Wundern begleitete Toleranz. Eine Gastfreundschaft der guten Sitten. Sie sei ein islamisches Gebot, erklärt mir Nizam Bou Antoun, General Ma¬nager unserer Radisson-Herberge. Wenn auch der Sommer als beste Reisezeit gelte, so seien doch Touristen immer willkommen, rund ums ganze Jahr. „Denn jeder Gast kommt von Gott…“

Die große Moschee bei Nacht

Allah habe Anregendes, aber auch Unfassbares in Hülle und Fülle zu bieten. Ganz wie es in einem tibetanisches Sprichwort heißt: „Auf Reisen in fremde Länder lernt man nicht nur die Länder kennen, sondern auch sich selbst“. Dazu dient das Nationalmuseum mit seinen Schät¬zen aus allen Epochen liba¬nesischer Geschichte. Dient auch die Seilbahn von Harras zur Statue Notre Dame de Liban zu, von der aus man einen weiten Blick auf die Stadt hat. „Wir dürfen das Goethe-Institut, die vier Universitäten, zahlreiche Kunstgalerien, das Fu߬ballsta¬dion, Theater, Diskos, Golfanlagen, die Skigebiete und Weingüter nicht vergessen. Vor allem aber nicht Corniche“, ergänzt Rosa Bou Chaaya Khoury, ihres Zeichens Director of Sales & Marketing.

Corniche: Eine zwei km lange moderne Uferpromenade, begrenzt von Mittel¬meer und Palmen. Hier tickt bis spät in die Nacht die Uhr einer orientalischen Großstadt. Da treffen sich junge Männer, um zu angeln oder vom zerklüfteten Strand mutig in die schäumenden Wellen zu tauchen. Auf einer Bank die Großfamilie – Mutter verhüllt, Mädchen im Minirock, Männer geben den Ton an. An der Reling schöne Frauen in bunten Kleidern. Sie rau¬chen die Shisha (Wasserpfeife), winken freundlich dem Fotografen.

Orientalische Schönheiten rauchen die Shisha

Ein Touristen-Joggerpaar trabt vorüber. Einwohner mit einem Leihvehikel kurven durchs Publikum: die städtische Fahrradoffensive soll Bewe¬gung und damit Gesundheit be¬fördern. An einer Palme hat der Händler seinen fahrbaren Kiosk aufgestellt, um Passanten mit Getränken, Fladenbrot, Eis und Früch¬ten zu versorgen. Dann, eher im Hintergrund, zwei Soldaten der Libanesische Armee. Wikipedia zeigt deren Stärke mit 37 000 Mann an. Die uniformierten Jungens schüt¬zen auch die Liebespaare, die sich vor der Taubengrotte von einem verwitterten Polaroid-Fotografen das Erinne¬rungsfoto machen lassen.

Über der Szene weht an diesem Tag eine leichte Brise von West. Die Sonne glüht und taucht das metallic glänzende Meer in Rot, bevor der Horizont sie schluckt. Orientalische Tradition auf dem Boulevard der Begegnung mit europäischer Kultur.

Byblos – eine der ältesten Städte

Die Freiluft-Restaurants, in denen Brettspieler und Losverkäufer, zum Inventar gehören, sind Besuchermagneten. Von landestypischer Küche, gutem Wein, 40prozentigem Arak und aromatischem Najjar (Kaffee) können wir uns im Beiruter Seeluft-Cafè „Shatila“ ebenso überzeugen wie im „Pepe`s Fishing Club“ in Byblos, eine Autostunde nördlich von Beirut gelegen. Dort sehen wir auch eine Promienten-Galerie, die ihresgleichen sucht: Charles de Gaulle, Anita Ekberg, Brigitte Bardot, Marlon Brando… Das Restaurant-Museum der beson¬deren Art mit seinen diversen Unikaten zeigt uns der Chef persönlich.

Kamele als Touristenattraktion

Die geschichtsträchtige Perle der libanesischen Küste gilt als eine der ältesten Städte dieser Erde. Sie ist seit 1984 UNESCO-Welterbe. Der Sage nach wurde der Ort vom Gott El gegründet, dem Titanen Kronos aus der griechischen My¬thologie. Fast alles, was in der Ge¬schichte der orientalischen Region Rang und Namen hat, gab sich hier die Klinke in die Hand: Phönizier, Ägypter, Assyrer, Babylonier und Perser. Dann die Römer, Seldschuken, Mamelu¬ken, christliche Kreuzfahrer und Osmanen. Ausgrabungen förderten Heiligtümer, Grabmäler, Wohnhäuser, Mauern und Tempel zu tage, deren älteste Unikate mit der auf das 5. Jahrtau¬send vor Christi datierten Jungsteinzeit verbunden sind.

Auch die Sprachentwicklung des Orients, wichtig für die Alphabetisierung Europas, erhielt von hier wichtige Impulse. Das erfuhren Mitglieder einer Studiosusgruppe aus Jena, Ingol¬stadt, Hamburg, Freiburg und Berlin bei einem Vortrag unter freiem Himmel von ihrem Rei¬seleiter. Er sprach auch über Kapital, Arbeit und Sklaverei. Schon vor Jahrtausenden habe es diesen immer noch aktuellen Zusammenhang gegeben.

„Der Prophet“ – ein Kultbuch

Geradezu biblisch alt ist das Wahrzeichen Nr.1 des Landes. Die letzten dieser – im Staatswappen verewigten – Zedern, finden wir in den Höhen des Li¬banon (Jabal Lubnan). Im Dorf Bsharri gibt es ein Museum, das an den 1883 hier geborenen libanesisch-amerikani¬schen Philosophen, Dichter, Maler und Bild¬hauer Khalil Gibran erinnert. Sein Leben war auf Versöhnung von westlicher und arabi¬scher Welt gerichtet. Das 1923 erschienenes Werk „Der Prophet“ gilt heute weltweit als Kultbuch. In ihm macht der Autor Mitteilung über Liebe, Arbeit, Handel, über Freiheit, Schmerz, Genuss, die Zeit und den Tod. Auch über „Gut und Böse“ steht geschrieben: „Vom Guten in euch kann ich sprechen, nicht aber vom Bösen. Denn was ist das Böse denn anders als das Gute, das von seinem eigenen Hunger und Durst gequält wird?“

Auf der Fahrt von Beirut über Anjar nach Baalbeck werden auch wir mit „Gut und Böse“ konfrontiert. Die Invasion deutscher Nobelkarossen Marke BMW und Mercedes nimmt ab, der chaotische Verkehr mit fehlenden Fahrbahnmarkierungen, Ampeln und Parkzonen zu. Am Straßenrand Wer¬bung für Palmoliv, Russischen Vodka, Juwelen, orientalische Schönheit, das Aufbau-Projekt Beirut. Aus Syrien kommen auf der zeitweilig einspurigen Handelsstraße Laster, Kennschild Kuweit, entgegen. Händler, Auto¬friedhöfe. In einiger Entfernung ein Nomadencamp, das unser Be¬gleiter trocken mit „Zeitarbeiter“ kommentiert.

Es fehlen nicht die von „Zimmer-Flak“ flankierten Armee-Kontrollstellen. Boys in Khaki-Uniform winken lässig durch. Jens Seiler: „Die fischen nur hin und wieder einen raus, dann aber gründlich.“ Und warnt: „Nur keine Fotos, das kann böse enden“.

Auch das Auswärtige Amt warnt auf seiner Website. Kulturdenkmäler wie die in Byblos, Anjar und Baalbeck können zwar besichtigt werden. Aber vom Besuch bestimmter Regionen wird „trotz deutlich verbesserter Sicherheitslage“ weiterhin „dringend abgeraten“. „Strenges Fotogra¬fierverbot“ betrifft „militärische Anlagen/Einrichtungen, Grenzübergänge und Kon¬trollstellen an den Landstraßen“.

In Anjar, einst Sommerresidenz für den 6. Omaijaden-Kalifen und Marktplatz auf der antiken Seidenstraße, verkauft Assadour Andekian Eintrittskarten. Die Familie des 33-jähri¬gen, akzentfrei Deutsch sprechenden Archäolo¬gen, ist 1939 aus Armenien über die Türkei hierher gekommen. Die Armenier wurden im Zuge des bis heute umstrittenen türkischen Völkermordes auch in den Libanon vertrieben. Franz Werfel hat mit seinem 1933 erschiene¬nen Roman “Die vierzig Tage des Musa Dagh“ den Vorgang für die Nachwelt festgehalten. Heute gibt es hier eine große armenische Diaspora (Verstreutheit). Augenscheinlich gehört die Familie von Assadour Andekian dazu.

Zum Abschied kostenloser Kaffee

Baalbeck, gelegen in der fruchtbaren Bekaa-Ebene, gilt als das Vorzeige-UNESCO-Objekt. Von den Phöniziern war hier der Tempel des Gottes Baal erbaut worden. Dann er¬weiterten Römer mit hohem Kunstverstand die Anlage – ihr Ausmaß gigantisch.

Baalbeck: Von dem einst größten Sakralbau des Imperium Romanum, dem Tempel des Jupi¬ter, sind sechs Säulen erhalten. Fotos. R. Hempel

Der Besucher geht durch die Jahr¬hunderte. Und damit durch eine der wichtigsten Stätten antiker Geschichte. Ihr wechselvolles Schicksal ist mit den Namen Julius Cäsar und Kleopatra verbunden. Kaiser Wilhelm II. war hier. Auch durch seine Vermittlung begannen 1901 wis¬senschaftlich fun¬dierte Grabungen.

Beim Stopp am Stadtrand von Baalbeck macht unser Journalistententeam Halt bei Ab¬dul Nabi al-Afi. Der 52-Jährige unterhält einen sichtlich vom Zahn der Zeit angenagten Mu¬seums-Kiosk. Er begrüßt uns als Händler, aber auch als Menschenfreund. Stolz übergibt er Kopien eines „TheDailyStar“-Artikels, in dem über den Zusammenhang von Weltkultur und Stadt¬rand-Kiosk berichtet wird. Zum Abschied schenkte Nabi al-Afi jedem von uns aus seiner Thermos¬kanne Kaffee ein. In Pappbecher. Kostenlos. Einer von uns schrieb ins Gästebuch: „Vielen Dank!“

Informationen:
Botschaft des Libanon, Berliner Straße 127, 13187 Berlin, Tel.: 030/4749860; Fax: 030/47487858, E-Mail: luban@t-online.de;
Auswärtiges Amt, Bürgerservice, Arbeitseinheit 40, 11013 Berlin, Tel. 03018/172000, Fax: 03018/ 1751000, www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Libanon,
 Lars Seiler: www.lebanonmymind.com
 Einreise: deutsche Staatsbürger benötigen zur Einreise einen Pass. Der muss mindestens noch sechs Monate gültig sein. Er darf aber keinerlei israelischen Sichtvermerk enthalten! Ein kostenloses Visum wird von der Libanesischen Botschaft in Berlin, am Airport Beirut und an jedem Grenz­übergang ausgestellt.
Reisen Libanon/Region bieten an: Studiosus-Reisen, www.studiosus.com; Biblische Reisen, www.studienreisen.de
Auskunft vor Ort: Deutsche Botschaft im Libanon, Maghzal Building, nahe der Jesus-and Mary-School, Tel: 00961(0)4 935 000; Fax: 00961 (0)4 935 001,  www.beirut.diplo.de;
Goethe-Institut, 11 Rue Bliss/Manara, P.O.Box: 113-5159 Beirut, Tel.: 00961-1-745058/ 740 524, Fax: 00961-1-743 524, E-Mail: goethe_bibl@cyberia.net. 1b&ETe, http://www.goethe.de/na/bei/deindex;
 Solidere: Building 149, Saad Zaghloul Street, P.O. Box: 119493 Beirut 20127305; Tel. (01) 980650 – 980660, Fax (01) 980661 – 980662; E-Mail: solidere@solidere.com.lb; http://www.solidere.com/
Literaturempfehlungen: „Syrien, Libanon“, Hotelverzeichnis und Detailkarten, Nelles Ver­lag,  13,30 €; „Kulturschock–Vorderer Orient“, Reise Know How, 14,90 €; Jasna Zajcek „Ramandan Blues“, Verlag Herder, 16,90 €; Khalil Gibran „Der Prophet“, dtv, 2,50 €

3 Replies to “„Der Libanon soll wieder Reiseziel werden…“”

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    als Webadresse im Zusammenhang mit unserem Unternehmen geben Sie http://www.studienreisen.de an. Dies ist jedoch ein Reisemittler, bei dem Reisen zahlreicher Reiseveranstalter, unter anderem auch unsere, gebucht werden können. Unser Link für Reisen in den Libanon lautet:
    http://www.biblische-reisen.de/katalogreisen/suche.php?f_land=Libanon
    Vielen Dank für eine Korrektur und mit freundlichen Grüße
    Dirk Abromeit

  2. Dann würde ich Ihnen empfehlen nach Mallorca zu gehen..als Deutscher, passt man dort besser 🙂

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