Donald Trump weiß, dass die »liberale Weltordnung« ausgedient hat und favorisiert in der globalen imperialistischen Auseinandersetzung autoritäre Herrschaftsmethoden.
Was da jüngst aus dem Weißen Haus in Washington über die Fernsehschirme flimmerte, sieht man sonst eigentlich nur im Theater. Die Intrigen und Winkelzüge der Mächtigen, ihre leeren Versprechungen, Verrat und Rache haben schon die antiken Dramatiker auf die Bühne gebracht; später feierten Shakespeare, Schiller, Brecht und andere damit Erfolge. Die Realität von Politik jedoch spielte sich nicht in der Öffentlichkeit ab, sondern im Verdeckten, im Geheimen, im Dunkel der Diplomatie. Dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump war das nicht genug; wohl vor allem der eigenen Rolle wegen zerrte er das Geschäft des Gebens und Nehmen, des Tricksens und Täuschens, des Ausspielens eigener Stärken und Nutzen der Schwäche der anderen ins Licht.
Und die Welt tut empört, obwohl doch jeder weiß, dass so und nicht anders Politik verläuft, als ein schmutziges Geschäft. Manche Beobachter steigern sich gar in abenteuerliche Verschwörungstheorien. Dabei war es nicht Trump, der den Streit vom Zaune brach, sondern Selenskyj. 40 Minuten lang hatten sich beide relativ sachlich ausgetauscht, bis der Präsident der Ukraine sich über Trumps jüngste Kontakte zu Wladimir Putin beklagte und von den USA verlangte, Russland nicht als neutraler Vermittler zu begegnen, sondern das Land weiterhin als »Feind« zu betrachten und zu behandeln. Es war klar, dass ein US-amerikanischer Präsident solche Vorhaltungen in aller Öffentlichkeit nicht hinnehmen konnte, was die Auseinandersetzung mit Selenskyj eskalieren ließ.
Diese Eskalation war nicht nur aus persönlichen Gründen, sondern vor allem politisch unausweichlich. Kompetente Betrachter der Szenerie weisen seit Monaten oder gar Jahren darauf hin, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine so ausgehen wird, wie es sich jetzt andeutet – mit der Niederlage des Angegriffenen, der allein dem übermächtigen Gegner nicht Paroli zu bieten vermag und von seinen vorgeblichen Freunden die notwendige Unterstützung für einen Sieg nicht erhalten kann, weil diese in einem Atomkrieg enden würde.
Trump hat dies messerscharf erkannt und sieht daher keinerlei Sinn darin, solch eine verlorene Partie fortzusetzen und das zudem noch mit eigenen Kapazitäten. Er glaubt auch nicht der seit Jahren aufgepäppelten und bis zum Erbrechen wiederholten Verschwörungstheorie, Wladimir Putin ginge es mit dem Ukraine-Krieg nur um den Auftakt eines Globalangriffs auf Europa; wenn er nicht vernichtend geschlagen würde, stünde er bald am Brandenburger Tor oder gar am Ärmelkanal. Der Schriftsteller Eugen Ruge, ein schon der eigenen Biografie wegen exzellenter Russlandkenner hat dazu kürzlich in der Berliner Zeitung eine überzeugende Antwort gegeben, indem er einige ganz einfache Fragen stellte: »Erstens: Wie schnell kommt die russische Armee in der Ukraine voran? Zweitens: Was wollen die Russen in Deutschland oder in Litauen? Landwirtschaftliche Fläche? Rohstoffe? Und drittens: Wie wollen sie diese Eroberungen verwalten? Im Donbass ist die Bevölkerung russischsprachig, das Gebiet hat immer stark zu Russland tendiert. Aber wie sollen die Russen Deutschland oder die osteuropäischen Länder übernehmen? Sie würden sich den Widerstand der Bevölkerung einhandeln. Sie würden sich Riesenprobleme schaffen. Davon abgesehen würden sie sich mit der Nato anlegen, ihren eigenen Untergang und den Atomkrieg riskieren.«
Offensichtlich sieht Trump das ähnlich. Für ihn und seinen Vize D.J. Vance drohen Gefahren von ganz woanders her. Sie – und mit ihnen viele in der Welt – sehen die alte kapitalistische Ordnung im Niedergang. Sie befürchten, dass sich immer mehr Menschen von ihr abwenden und eigene Wege zu einem besseren Leben suchen. Das wollen sie aufhalten – mit einer anderen, eigentlich auch nur alten Weltbeglückungserzählung. Sie spekulieren auf ein Urgefühl des Menschen als der nach göttlicher Fügung Krone der Schöpfung. Dieses egomanische Gefühl müsse aktiviert werden – gegen alles und jeden, der das Denken in eine andere Richtung lenken will. Deshalb wenden sie sich gegen jede Regulierung, auch der Meinungsfreiheit – in der Hoffnung, dass dieses Urgefühl menschlichen Strebens, der Größte zu sein, dann seine Wirkung entfaltet, wenn es bedient wird – und sei es nur als Fiktion. In den USA hat dies bereits zum Wahlsieg der Republikaner beigetragen.
Trump sieht die Erfolge autoritär geführter Länder wie China, Indien, Israel, aus seiner Sicht auch Russland und zugleich die Wirkungslosigkeit der sogenannten liberalen Weltordnung des alten Europa. Und tatsächlich ist diese Weltordnung nichts anderes als ein neuer, euphemistischer Begriff für die alte Herrschaft eines weißen westlichen Imperialismus, der sich die Weltherrschaft anmaßt. Trump und seine Mannschaft haben verstanden, dass es damit zu Ende geht und weltweit neue Imperien entstehen, die mit anderen, offenbar effizienteren Methoden die westliche Vorherrschaft infrage stellen. In dieser Liga will Trump mitspielen, und zwar in vorderster Front. Daher sein Griff nach weltweiten wirtschaftlichen Ressourcen und zugleich die Erweiterung seines Einflusses mit Hilfe autokratischer Regimes, mit denen er »Deals« aushandeln kann – natürlich aus der Position eigener Stärke.
Moral spielt dabei keine Rolle, aber das gilt ja für die »liberale Weltordnung« ebenso. Der Begriff ist nichts anderes als ein wohlklingendes Label, verbunden mit dem Anspruch, das allein selig machende System erfunden zu haben. Tatsächlich verbirgt sich dahinter die unverändert brutale Ausbeutungsgesellschaft des Kapitalismus – gerichtet auf die Mehrung des Reichtums der Besitzenden – im Inneren der einzelnen Länder wie auf der internationalen Ebene. Das Theater hat dies, wie erwähnt, immer wieder thematisiert, besonders eindrücklich Friedrich Schiller in seiner Wallenstein-Trilogie. »Hart im Raume stoßen sich die Sachen«, heißt es da. »Wo eines Platz nimmt, muss das andre rücken, wer nicht vertrieben sein will, muss vertreiben, da herrscht der Streit, und nur die Stärke siegt … Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht dem guten … Den Edelstein, das allgeschätzte Gold muss man den falschen Mächten abgewinnen, die unterm Tage schlimmgeartet hausen. Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt, und keiner lebet, der aus ihrem Dienst die Seele hätte rein zurückgezogen.«
Die moderne Version solcher Allgemeingültigkeit einer Klassengesellschaft haben wir aus dem Oval Office, der Machtzentrale des realen Imperialismus, geboten bekommen. Donald
Trump, der gegenwärtige Hausherr, hat sie selbst als »großes Fernsehen« bezeichnet. Es war ihm nicht peinlich, eher klang es nach Stolz.