In der Ukraine oder im Gazastreifen gewinnt, wer der erfolgreichere Imperialist ist

(pri) In einer Welt ohne machtpolitische Alternativen entscheidet der militärische Vorteil mehr als unglaubwürdige moralische Positionen 

Alle, die nach Donald Trumps Vier-Augen-Gespräch im Getümmel der Franziskus-Beisetzung in Rom eine Änderung der US-amerikanischen Friedenspolitik erhofften, haben sich damit in den Kreis der Wunschdenker eingereiht. Denn dem US-Präsidenten geht es nicht zuerst um Frieden und Wohlstand – die von ihm nur als zweitrangig beachteten Vorgänge in Gaza lösen kaum eine Regung bei ihm aus, als vielmehr um die Werte, die sein imperialistisches Vorgehen gegen Russland und die Ukraine im Auge hat. Er glaubt, mit den Ressourcen eines rohstoffreichen Landes wie des heutigen Russland und der ihm zugleich zufallenden Ukraine seinen »Deal« machen zu können, als Gegengewicht gegen China, das er gern von Russland trennen würde. Doch das verlangt weitgehende Zusammenarbeit mit Moskau. Die Ukraine bringt ihn nichts; er muss erkennen, dass sie nur neue Probleme schafft, indem er von ihr nur weitere Forderungen erwartet.

Was er vor dem Grabmal des friedensfreundlichen Franziskus in 15 Minuten gesprochen hat, war ziemlich von der dortigen Atmosphäre geprägt. Er musste mit Selenskyj wieder ins Gespräch kommen, um den Widerstand der Westeuropäer gegen eine Friedenslösung zu brechen. Er musste ihm entgegenkommen, um die ukrainische Wut gegen russische Militärangriffe zu kompensieren und ihm zugleich klar zu machen, dass an einer Lösung ohne ukrainische Abstriche an territorialen Zugeständnissen nicht zu denken war – zumindest solange Russland weite Gebiete der Ukraine besetzte. Trump kann nur hoffen, dass sich Russland zügelt, obwohl es sich auf der Siegerstraße befindet. Putin kam dem wieder mit einem kleinen knappen Angriffsverbot zum 80. Jahrestag des letzten großen Krieges entgegen; er bietet dem amerikanischen Partner damit die Chance, seine Bemühungen um die mit Moskau im Prinzip vereinbarte Lösung – wenn auch widerwillig – fortzusetzen.

Ob man das gutheißen mag oder nicht: aber Russland benimmt sich mit seinem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine wie ein imperialistischer Staat und tut somit das, was alle größeren, mächtigen Staaten dieser Erde tun – sie ordnen sich ein in ein System, das schon Marx und Engels so nannten: »Die wesentlichste Bedingung für die Existenz und für die Herrschaft der Bourgeoisklasse ist die Anhäufung des Reichtums in den Händen von Privaten, die Bildung und Vermehrung des Kapitals; die Bedingung des Kapitals ist die Lohnarbeit. Die Lohnarbeit beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich … Mit der Entwicklung der großen Industrie wird also unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst weggezogen, worauf sie produziert und die Produkte sich aneignet. Sie produziert vor allem ihre eigenen Totengräber.«

Für uns ist das längst vergossene Milch, denn dem Imperialismus ist es immer wieder gelungen, diese theoretische und zugleich zutreffende Meinung ad absurdum zu führen – zuletzt durch den Sieg über einen bürokratischen Sozialismus ohne angestrebten Reformbedarf. Wobei natürlich auch die Frage im Raum steht, inwieweit die Fehlentwicklungen des Sozialismus durch das brutale, antisozialistische Vorgehen der modernen Bourgeoisie gefördert wurde; man denke nur an die Bürgerkriege nach Gründung des Sowjetreiches, an den antibolschewistischen Kampf des Hitler-Faschismus gegen die damalige Sowjetunion, an die 1963 vom damaligen Präsidenten John F. Kennedy begonnene und von Johnson fortgesetzte menschenrechtsfeindliche Invasion im weit entfernten Vietnam und zahlreiche andere antikommunistische Vorgänge bis in die heutige Gegenwart.

Von Putin zu erwarten, sich gegen alle seine Gegner anders zu verhalten als die Imperialisten um ihn herum, gewissermaßen als Wahrer einer Gesellschaft aufzutreten, der mit neuen Ideen die imperialistische Wirklichkeit gestalten will, wie es einst die Kräfte des demokratischen Sozialismus wollten, als sie noch hoffen konnten, auf Friedensvorschläge des Westens einzugehen – das wäre eine Tat, die die Realität des Imperialismus völlig außer aucht ließe. In diesem Kampf des alten imperialistischen Systems um eine neue Vormachtstellung des Westens war die einzige Chance Russlands, sich gegen seine Gegner genau so imperialistisch zu behaupten, da diese an ihren wahren Absichten nichts geändert haben, sondern sich ganz im Gegenteil in einem wahren Endkampf befinden, der letztlich über ihr Schicksal entscheiden wird. Das Wort des Kommunistischen Manifestes gilt noch immer, aber die Wege dahin sind weit und unbestimmt, aber letztlich unaufhaltsam.

Noch kann man in diesem Kampf entscheiden, will man ihn so – althergebracht – führen oder mit anderen Mitteln. Es gibt diese Mittel bereits, man schaue nur nach dem Nahen Osten, wo Israel seine militärische Überlegenheit mit allen Mitteln auszuspielen gedenkt. Und auf diese Weise hofft, auf ewig sicher zu sein– ohne dies aber jemals sicher zu erreichen. Denn der Kampf der Völker, einschließlich des palästinensischen, ist nicht von außen zu besiegen. So wie sich Israel gegenwärtig aufstellt, will es die Palästinenser vom Erdboden verschwinden lassen, was aber nicht gelingen kann. Ihre Existenz wird für Israel stets ein Grund für den großen Krieg sein. Der nächste Stufe ist der Einsatz von Atomwaffen, was zum Beispiel Trump sehr gut erkannt hat; er will bei den Stärkeren sein, aber nicht um jeden Preis, nicht um den Einsatz von Atomwaffen.

Trump macht international eine dem Imperialismus verpflichtete vernunftbegabte Politik. Er will die stärksten Kräfte finden, eben einen Weg weisen, ohne ihren Einsatz von Atomwaffen zu riskieren. Auch für Israel soll das gelten; es soll seine militärische Kompetenz voll ausspielen, alles darunter kann es einsetzen, weshalb ihn die Opfer im Gazastreifen nicht sonderlich interessieren. Trump will die Überlegenheit Israels über Iran und seine Verbündeten einkalkulieren, will auch, dass alle Mittel dagegen eingesetzt werden können. Daher sein Verhandlungsangebot, Israel von der palästinensischen Heimsuchung zu befreien und den Gazastreifen selbst zu besetzen. Das wäre Frieden für alle, zugunsten des Westens – aber was wird aus den Palästinensern?

In der Ukraine wie im Nahen Osten setzt Trump auf Gewalt. Ihre Ergebnisse sind der Ausgangspunkt seines Handelns. Die halblaut vorgetragenen moralischen Positionen des Westens – gerade hat der »Freitag« die unumstößliche Einseitigkeit der deutschen Medien in der Berichterstattung über Israel belegt, sind außer dieser Welt, denn Selenskyj wie Netanjahu haben weder die »Karten«, um ihre Ziele zu erreichen. Der ukrainische Präsident hat sie schon verloren, der israelische Premierminister wird sie noch verlieren oder in einem ewigen Krieg enden.

Für Trump zählt allein das Resultat, der materielle Gewinn, den er braucht, um die imperialistische Welt in seinem Sinne zu gestalten. Alle anderen Positionen haben dahinter zurückzustehen. Sind seine Erwartungen erfüllt, kann der Westen seine pseudomoralischen Spielchen machen – aber ohne Beteiligung der USA. Entscheidend wird sein, inwieweit Westeuropa dieses Spiel durchhält und die erheblichen finanziellen Mittel aufbringen kann, die zur Fortsetzung des Krieges erdenklich sind. Eher spricht viel dagegen, denn mehr als zwei Dutzend Nationen sind an einen Tisch zu bringen.

Und am Ende hängt viel auch von den Völkern ab, die einen solchen Kriegskurs nicht akzeptieren wollen und Widerstand leisten – und das nicht nur in Europa, sondern weltweit. Auch die meisten von ihnen wird Westeuropa gegen sich haben, denn sein Krieg ist nicht ihr Krieg, sondern ein letztes Aufflackern einer alten Welt, die nicht die Ihre ist.

 

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