Mit Ermittlungen gegen Aufklärung von BND-Aktivitäten

In seiner eigentlichen Funktion des Vorsitzenden des Bundestags-Untersuchungsausschusses zu allerlei BND-Skandalen ist Siegfried Kauder bislang nicht sonderlich aufgefallen. Mühsam schleppt sich das Gremium, das unter anderem massive Menschenrechtsverletzungen, veranlasst durch deutsche Politiker wie den einstigen Kanzleramts- und heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und deutsche Geheimdienstbeamte, aufklären soll, dahin. Dass sein Vorsitzender Kauder einen besonderen Eifer an den Tag legte, Licht in diese schmutzige Angelegenheit zu bringen, war bisher nicht feststellbar.

Nun aber ist selbiger Kauder plötzlich äußerst aktiv geworden – freilich nicht, um Versäumnisse der Vergangenheit hinsichtlich seines Untersuchungsauftrags auszugleichen, sondern um jene zu treffen, die faktisch die Aufgabe übernommen hatten, an der Kauder – gewollt oder ungewollt – versagte – die Journalisten. Sie waren es nämlich, die in Ermangelung konkreter Untersuchungsergebnisse aus dem Ausschuss selbst recherchierten und dabei – auch mit Hilfe von Ausschussmitgliedern, die von Kauder im Gremium offenbar gebremst worden waren – allerlei ans Licht brachten, das nach Meinung der schwarz-roten Bundesregierung zwar nicht bestritten werden konnte, aber gerade deswegen nicht publik werden sollte. Denn in dieser Bundesregierung haben beide Lager, CDU/CSU wie SPD, ein Interesse daran, dass wesentliche Tatsachen über die deutsche Rolle im US-amerikanisch inspirierten Anti-Terror-Kampf nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Die damals regierende SPD möchte nicht, dass ihr Doppelspiel entdeckt wird, das nach außen von Ablehnung amerikanischer Aktionen zur Verletzung der Menscherechte geprägt war, während im Geheimen durchaus Amtshilfe zu Menschenrechtsverletzungen – wie gegen Murat Kurnaz oder Khaled el-Masri – geleistet wurde, zum Beispiel von Otto Schily und eben Steinmeier. Aber auch die Union, die solches Fehlverhalten gewiss gern ausschlachten würde, ist gehemmt, denn zum einen hatte sie ja gerade die rot-grüne Regierung wegen ihrer vermeintlichen Zurückhaltung im Anti-Terror-Kampf kritisiert und – mit Wolfgang Schäuble an der Spitze – weniger Skrupel zum Beispiel bei der Nutzung von Foltergeständnisse gefordert. Und zum anderen ist der in die Schusslinie geratene Steinmeier heute Außenminister der gemeinsamen Koalition; da machte es sich schlecht, würde man über ihn herfallen.

Dieses gemeinsame Interesse von Rot und Schwarz hat beide Seiten nun zum Schlag gegen die wirklichen Aufklärer veranlasst. Gern beantragte CDU-Bundestagspräsident Lammert die vom CDU-Ausschussvorsitzenden Siegried Kauder gewünschten Ermittlungen, und die SPD-Abgeordneten im Ausschuss stimmten zu, obwohl einige von ihnen die Recherchen der Medien mit großzügiger Aktenweitergabe unterstützten. Sie fürchteten wohl, dass ein Nein zum einschlägigen Beschluss des Ausschusses den Verdacht sofort auf sie gelenkt hätte, denn natürlich will die Regierung über die Redaktionen die undichten Stellen im eigenen Haus und im Parlament ausfindig machen.

Der Vorgang zeigt einmal mehr, wie wenig parlamentarische Untersuchungsausschüsse in Wirklichkeit wert sind. Dienen sie normaler Weise als Kampfinstrument in der Auseinandersetzung Regierung – Opposition, verlieren sie ihre Daseinsberechtigung ganz, wenn in einer großen Koalition die überwältigende Mehrheit keine Ergebnisse will und die Opposition zu schwach ist, etwas Wirksames dagegen zu tun. Springt dann die »vierte Gewalt« in die Bresche, versuchen Journalisten, das regierungsamtliche Schweigekartell zu durchbrechen, sind sich die Regierenden schnell einig, dagegen vorzugehen. Wenn nötig, auch mit dem Staatsanwalt. Denn Pressefreiheit ist eben nur solange erwünscht, solange sie nicht zu den wirklich wichtigen Fragen vorstößt.