Bushs Welt – zum Beispiel Kenia

Jahrelang galt Kenia im unruhigen Afrika als Musterland, als Beispiel von Stabilität, weil wenigstens einige demokratische Grundprinzipien eingehalten wurden. Tatsächlich aber war diese Stabilität spätestens nach dem Abtreten des Staatsgründers Jomo Kenyatta mehr Wunsch als Wirklichkeit, denn sein Nachfolger Daniel Arap Moi führte das Land allmählich in eine weitgehende Alleinherrschaft, verbunden mit internen Machtkämpfen und einem hohen Maß an Korruption in Gesellschaft und Wirtschaft. Dennoch gelangen Arap Moi bei Wahlen in den 90er Jahren immer wieder Erfolge, wenngleich schon damals stets der Vorwurf der Wahlfälschung erhoben wurde. Erst 2002, als er nicht mehr kandidieren konnte, ging die Macht an den derzeitigen Präsidenten Emilio Mwai Kibaki über. Kibaki versprach demokratische Reformen, den Schutz der Menschenrechte, die Beendigung der Korruption – in Afrika ohne Zweifel große Ziele.

Doch es war dies auch die Zeit, als die USA nach den Anschlägen des 11. September den Anti-Terror-Kampf intensivierten; Kenia, das mit dem »Schurkenstaat« Somalia eine 675 Kilometer lange Grenze hat, wurde für Washington wichtig, und schnell zeigte sich, dass ein demokratischer Wandel Bush und die seinen nicht im mindesten interessierte. Ihnen kam es darauf an, in Kenia einen zuverlässigen Verbündeten für ihre Gewaltpolitik gegen den Islam zu haben, und nicht nur die CIA-Schergen, die einen besonders verstockten Verdächtigen schon mal in eine Diktatur verfrachten, damit man ihn dort zum Sprechen bringt, wissen, um wieviel effizienter Diktaturen vorgehen können, wenn es um die Durchsetzung von Gewaltpolitik geht. Hinzu kam, dass der neue kenianische Präsident ausländischen Investoren Tür und Tor öffnete und eine ziemlich lupenreine neoliberale Wirtschaftspolitik auf den Weg brachte. Die Politiker wie die Konzerne des Westens sahen darin so viele Vorteile, dass sie Kibaki bald durchgehen ließen, dass er seine Wahlversprechen nicht einhielt und statt dessen Schritt für Schritt erneut eine Diktatur etablierte. Als 2004 mit Wangari Maathai eine kenianische Umweltaktivistin den Friedensnobelpreis erhielt, bekam sie ihn auch für ihren schon damals notwendigen Kampf gegen die Verfolgung der Opposition und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit.

Den Westen aber, die USA und die Europäische Union focht das nicht. Sie besinnen sich auf eine »Werte-Außenpolitik« nur dann, wenn es gilt, jemanden in die Schranken zu weisen, den sie als ideologischen Gegner betrachten. Ihre Freunde unterwerfen sie solch strengen Prüfungen nicht, und so war es auch kein Wunder, dass sie die schweren Verstöße gegen eine demokratische Wahl schon vor dem Urnengang in Kenia einfach nicht sahen und auch das manipulierte Resultat nicht zur Kenntnis nahmen. Eilends gratulierten sie dem Wahlfälscher Kibaki zu seinen »Erfolg«. Erst jetzt, da sich das kenianische Volk gegen solche Komplizenschaft erhebt und sie um ihre Positionen an diesem strategisch wichtigen Ort fürchten müssen, bewegen sich die westlichen Demokratie-Vorkämpfer; noch ist aber nicht gewiss, in welche Richtung.

Auch die Medien, sonst sofort auf der »richtigen« Seite, versanken in Sprachlosigkeit. Die Hintergründe, die Zusammenhänge, aus denen ablesbar ist, warum ein einstmals stabiles afrikanisches Land an den Rand des Abgrunds geriet, sucht man weithin vergebens. ;man müsste ja die westliche Politik in ihren Grundannahmen kritisieren, was jedoch Borniertheit wie ideologische Scheuklappen verhindern. Nur linke Zeitungen und Blogger machen sich die Mühe, Licht ins gewollte Dunkel zu bringen. Insofern sind die Vorgänge in Kenia auch ein Musterbeispiel für die Medienfreiheit nach westlichen Vorstellungen. Da passt nur ins Bild, was die eigene Sicht bestätigt.

3 Replies to “Bushs Welt – zum Beispiel Kenia”

  1. Hallo,

    auch eine sehr interessante und wie ich finde richtige Sichtweise auf die Lage in Kenia. Sehr guter Artikel! Die Blogwelt hebt sich oft angenehm von der einseitig tendenziösen Berichterstattung der Mainstream-Medien ab. Werde ab jetzt öfter hier vorbeischauen.

    Gruß

    tom

  2. Falls Europa erwacht, sollte es großen Wert darauf legen, nicht mit den USA und UK in einen Topf, den Topf des sogenannten „Westens“, gesteckt zu werden. Der Rückzahlungszeitpunkt für die Hypotheken aus der Zeit der Sklaverei rückt mit jedem Tag näher, an dem die USA ihre „Kreditkrise“ nicht bereinigt bekommen und den furchteinflössenden Nimbus der Weltführungsmacht verlieren.

    Nicht zufällig sind es Muslime, die sich in Kenia zum Sprecher der armen, schwarzafrikanischen Ureinwohner gemacht haben. Auch wenn sie als Händler an der Sklaverei im 17. und 18. Jahrhundert mitverdient haben, an der vor allem die Engländer über den Sklavenumschlagsplatz Liverpool und die Amerikaner in den Süpdstaaten unermeßlich reich geworden sind. Zu den Altlasten des „Westens“ (UK und USA) zählen auch die Hypotheken aus der sich nahtlos bis heute anschließenden Ausbeutung in den angloamerikanischen Kolonien. All das muss am Tag X zurückgezahlt werden.

    Kontinentaleuropa hat nach 1989 mit dem Zugewinn der osteuropäischen Staaten ein eigenes Gewicht, das es ermöglicht, England mitsamt seinen unbezahlten ungeheuren Altlasten aus dessen kolonialer Vergangenheit sich selbst zu überantworten. Für die EU wäre es ein Akt moralischer und finanzieller Befreiung, wenn sich England in einer Volksbefragung gegen den Grundvertrag der EU entscheiden würde. Es wird schon teuer genug werden, für die Kolonialverbrechen Frankreichs in Nordafrika oder Belgiens im Kongo die kontinentaleuropäische EU-Mithaftung zu übernehmen.

    rhbl

  3. @ Reinhard Lütkemeyer
    Leider definiert „Europa“ seine ureigenen Interessen, die selten auch jene der USA sind, meist nicht und schließt sich ziemlich kritiklos dem großen amerikanischen Bruder an. So wohl auch im Falle Kenia. Und leider sind es vor allem die osteuropäische „Zugewinne“ des Kontinents, Angela Merkel eingeschlossen, die lieber über den großen Teich schielen statt selbstbewusst eigene Politik zu formulieren.

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