Jugendgewalt und Rassismus

Lakonisch und zutreffend hat kürzlich die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zur neuesten ausländerfeindlichen Kampagne der Unionsparteien geschrieben: »Dem Opfer der beiden Gewalttäter hat es wenig genützt, dass in München Beckstein, in Berlin Schäuble und in Wiesbaden Koch die innere Sicherheit verantworten.« Man könnte hinzufügen: Es hat ihnen möglicherweise sogar geschadet,denn bislang haben sich die Beckstein, Schäuble und Koch für Schläger in U-Bahnen und auf Straßen herzlich wenig interessiert, waren es doch zumeist solche mit Glatzen und Springerstiefeln und ihre Opfer eher jene Ausländer, die hier nun – welch Glück für Koch und seinen Wahlkampf – selber zugeschlagen haben, und noch dazu einen deutschen pensionierten Schuldirektor. Gewalttaten von Jugendlichen gibt es schon lange hierzulande; daran sind Deutsche wie Ausländer beteiligt, und jede dieser oft brutalen Taten ist schlimm genug, als dass sie nicht härteste Bestrafung verdiente.

Aber um solche Selbstverständlichkeiten geht es Koch und der Union gar nicht; sonst hätten sie schon längst lautstark ihre Stimmen erheben können. Gerade erst wurde ein Beispiel aus Magdeburg bekannt (Neues Deutschland vom 09.01.08, leider nicht zu verlinken), wo junge Neonazis und Afrikaner aneinander gerieten – und ganz nebenbei erfuhr man dazu: »Für gewöhnlich nutzen Ausländer Busse und Bahnen in Magdeburg nur mit großer Vorsicht und Unbehagen. Immer wieder kommt es dort und an Haltestellen zu Übergriffen, Beschimpfungen oder tätlichen Angriffen. Die Mobile Opferberatung Magdeburg sieht den Nahverkehr der Stadt als einen Schwerpunkt rechter und rassistischer Angriffe. Seit 2005 seien 26 Straftaten in diesem Bereich erfasst worden, sieben im Jahr 2007. Öffentliche Verkehrsmittel seien für Menschen, die nicht ins Weltbild der Rechten passen, zu einem Angstraum geworden, heißt es.« Das war keinem CDU-Politiker, vom Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts bis hinauf zum Bundesinnenminister und der Kanzlerin, bislang auch nur ein Wort des Bedauerns wert, geschweige denn den lauten Alarmruf und Maßnahmen, einem solch unhaltbaren Zustand abzuhelfen. Erst wenn sich solche Vorfälle rassistisch ausschlachten lassen, tritt die Union auf den Plan, dann aber mit geballter Macht.

Natürlich klatscht die NPD begeistert Beifall – und zwar sowohl für das schwarze Verschweigen ihrer eigenen braunen Gewalttaten gegen alles dem deutschen Nationalkörper Fremde als auch für den richtungweisenden Finger auf Migranten, von denen dann nicht nur der gewalttätige Teil der rechten Selbstjustiz freigegeben wird. Roland Koch stört dieser Beifall wenig, im Gegenteil. Vielleicht kann er ja den einen oder anderen der brauen Gesellen dazu bewegen, sein Kreuz auf dem Wahlzettel bei der CDU zu machen. Wählerstimmen stinken schließlich ebenso wenig wie Geld. Dass er Letzteres während seiner bisherigen Regierungszeit Polizei und Justiz entzog und die Staatsgewalt damit schwächte, lässt sich hinter einem rassistischen Nebelschleier auch gut verbergen. Wie schon 1999, als es um die doppelte Staatsbürgerschaft ging, erklärt die hessische CDU Ausländer erneut zur Hauptgefahr, obwohl diese doch direkt in der Wiesbadener Staatskanzlei sitzt.