Kurt Beck in den Fesseln sozialdemokratischen Tauziehens

Die wirtschaftsorientierte Medienzunft von »Bild« bis »FAZ« gefällt sich derzeit darin, den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck als wahren Deppen zu zeichnen. Und er macht es ihr mit seinem Zickzack-Kurs zwischen »Agenda-2010«-Bestätigung und kleinen Korrekturversuchen an der neoliberalen Schröder/Müntefering-Politik ziemlich leicht. Dabei mag er – neben einigen in seiner Partei verbliebenen Linkspolitikern – als einer der wenigen erkannt haben, dass die sozialen Zumutungen, mit denen seine Vorgänger das Wahlvolk gegen sich aufbrachten, nicht nur dieses in Scharen zur Flucht aus der sozialdemokratischen Familie veranlassten, sondern ganz grundsätzlich im Widerspruch zu Prinzipien und Tradition der alten Arbeiterpartei stehen, die damit langsam, aber sicher in die Bedeutungslosigkeit geführt wird. Längst hat sich links von der SPD eine andere Kraft etabliert, bei der sozialdemokratisches Gedankengut viel besser aufgehoben ist; immer mehr einst überzeugte Sozialdemokraten wechseln in die Linkspartei und neutralisieren allmählich deren PDS-Flügel, was freilich auch mit einer schleichenden Entradikalisierung der Linken einhergeht, die allerdings paradoxerweise eher der kaum noch DDR-geprägte PDS-Kader vorantreibt, während die SPD-Abtrünnigen lieber ihr altes Kämpfertum neu zelebrieren – siehe den Ex-SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine.

Gegen diesen Trend stemmt sich Kurz Beck, während andere in der SPD den Kampf gegen die Linke – von linken Positionen aus – längst aufgegeben haben und ihre Zukunft fest im bürgerlichen Lager sehen, ob in der großen Koalition mit der Union oder im Ampelbündnis mit der wirtschaftsliberalen FDP und deren »linker« Variante, den Grünen, die sich künftig ebenso als Brücke zwischen beiden aufbauen könnten wie in anderen Zusammenhängen als Korrektiv zwischen Union und Freidemokraten. Letzteres gedenken die Steinmeier, Steinbrück und Struck zu verhindern, möglicherweise mit einem noch immer die Fäden ziehenden Müntefering im Hintergrund, für den Opposition a priori »Mist« ist und der sich deshalb folgerichtig als Architekt der Koalition mit CDU und CSU betätigte.

Doch der rechte Flügel der SPD steckt eigentlich in einem noch viel größeren Dilemma als Kurt Beck, kann er doch nicht erwarten, dass eine Weiterführung oder gar eine Neuauflage der »Agenda 2010« – der von Merkel und Westerwelle aufs Podest gehobene Bundespräsident Horst Köhler spricht schon von einer »Agenda 2020« – der SPD die gerade dadurch verlorene Wählerschaft wieder zurückgewinnt, eher im Gegenteil. Er müsste sich also dauerhaft mit der Rolle eines ständig kleiner werdenden Juniorpartners der Union zufriedengeben – mit der zusätzlichen Gefahr, eines Tages doch von sich immer stärker auf Schwarz-Gelb orientierende Grüne überflüssig gemacht zu werden.

Der SPD-Vorsitzende hingegen hätte die Option, mit der Linken und den derzeit noch ihre Rolle suchenden Grünen ein Bündnis zu schmieden, in dem seine Partei das Sagen hat – wenn er denn über seinen Schatten springen würde und wenn ihm die SPD-Rechte nicht ausbremste – wie es Andrea Ypsilanti in Hessen bereits geschah. Es ist also weniger Becks Unvermögen, was die Talfahrt der SPD bewirkte, als vielmehr das Ziehen beinahe gleich starker Flügel der Partei in die entgegengesetzte Richtung. Das Seil, an dessen Enden die divergierenden Kräfte in Aktion sind, ist in der Mitte wie eine Fessel um Beck geschlungen; mal stolpert er in die eine, mal in die andere Richtung – und macht dabei eine tatsächlich lächerliche Figur.

Ändern dürfte sich das solange nicht, wie die SPD inhaltlich keine klaren Positionen findet. Die wiederum sind ohne schmerzhafte Entscheidungen nicht zu gewinnen. Entweder obsiegen die Rechten und die Sozialdemokratie geht endgültig im bürgerlichen Lager auf, wo sie neben einer sich partiell sozialdemokratisch gebärdenden CDU (Rüttgers!) und den Grünen eigentlich keine Daseinberechtigung hat. Oder sie ringt sich zum Zusammengehen mit der Linkspartei durch, was von einem vergleichbaren Risiko ist. Denn dies würde zu einen die seit Jahren verbürgerlichte Partei spalten, die dennoch auf längere Sicht die soziale Karte kaum so glaubwürdig spielen dürfte wie die Linkspartei, und böte zum anderen angesichts der nach wie vor verhärteten ideologischen Fronten in der Bundesrepublik keineswegs die Gewähr auf eine regierungsfähige Mehrheit.

3 Replies to “Kurt Beck in den Fesseln sozialdemokratischen Tauziehens”

  1. Wenn wir ehrlich sind wissen wir doch alle das Beck schon lange nicht mehr zu halten ist. Er ist eins Scharping, nur schlechter. Tatsächlich wird er aber als Opferannode gebraucht um dann einen Frank-Walter Steinmeier umso strahlender erscheinen zu lassen, der dann noch neoliberaler und menschenverachtender als bisher agieren kann und wird.

    Beck ist mehr als tot und das zu recht:

    http://www.duckhome.de/tb/archives/2831-Man-koennte-fast-Mitleid-mit-dem-Beck-haben.html

  2. Beck hat versagt, weil ihm die Courage zum tatsächlichen Umsteuern fehlte. Aber er wollte wenigstens nicht der Totengräber der SPD sein. Dafür wird der Kandidat noch gesucht.

  3. Die Totengräber der SPD sind doch längst bekannt: Schröder mit seinem „Büttel“ Müntefering haben als erste Hand angelegt; die „steinigen“ Nachlaßverwalter Steinmeier und Steinbrück tun nun den schäbigen Rest.

    Es ist schon erstaunlich und irgendwie erschreckend, wie schnell aus der linken Volkspartei SPD seit dem Wahlsieg 1998 eine solch zerrissene und dezimierte Partei werden konnte. Für die Agenda-SPD scheint eher die (Mit-)Regierung „Mist“ zu sein und fürs Wahlvolk erst recht.

    Armer Kurt Beck, wenn du nur wüßtest, was du wolltest!

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