Ypsilanti macht nicht den Lafontaine

Andrea Ypsilanti ist sich treu geblieben und hat nicht – was man ihr kaum hätte verdenken können – den weiblichen Lafontaine gemacht. Und das, obwohl einige ihrer so genannten Parteifreunde zwar mit ihr ein Wahlprogramm erarbeitet, das im Wahlkampf vertreten und dafür dann auch ein Mandat des Wählers erhalten haben, danach jedoch ihr Wort brachen und plötzlich auf die seite Roland Kochs überschwenkten. Sie würden dem CDU-Chef nie zu einer Mehrheit verhelfen, sagten sie darauf empört, aber sie haben es vermutlich bereits dadurch getan, dass sie diese der eigenen Spitzenkandidatin verweigerten. Wären sie konsequent, würden sie sich für das von ihnen am Ende abgelehnte Programm nicht erneut durch eine Kandidatur in die Pflicht nehmen lassen, doch so weit geht ihre Gewissensnot möglicherweise nicht.

Dass die Medien des bürgerlichen Lagers die Schuld nicht bei den Abtrünnigen suchen, sondern allein bei Ypsilanti, ist verständlich; schließlich wollte sie mit ihrem erfolgreichen Wahlprogramm linke Politik mit der SPD machen und will es noch; das vor allem trägt ihr den Hass all jener ein, die mit linker Politik ihr Pfründe schwinden sehen, die davon ein Ende der Umverteilung von unten nach oben befürchten – und natürlich gehört die Mehrzahl der Medien dazu, sind sie doch im Besitz von Kapitaleignern und diesen verpflichtet.

Daher wird die Kampagne gegen die linke Politik der hessischen SPD weitergehen, vor allem deshalb, weil sie vor einem knappen Jahr an den Wahlurnen schon einmal erfolgreich war und dieses Beispiel gerade in den gegenwärtigen Krisenzeiten ausgelöscht werden soll. Selbst die Spitze der Bundes-SPD tut da mit, einschließlich ihres linken Flügels, von dem bisher kein Wort der Unterstützung für Andrea Ypsilanti kam; allein die Jusos haben sich für sie erklärt. Auch das verständlich, dann Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier können zum Auftakt des Wahljahres 2009 nichts weniger gebrauchen als einen Erfolg der Parteilinken, denn der konterkarierte ihre lange geplante Linie hin zur Fortsetzung der großen Koalition. Selbst die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sieht das so: »Der SPD-Spitze um Müntefering und Kanzlerkandidat Steinmeier hat das Chaos in Hessen zwar den Aufbruch verdorben. Aber eine voraussichtlich verlorene hessische Wahl im Januar erscheint im Vergleich dazu, welche bundespolitischen Folgen eine Kür Ypsilantis gezeitigt hätte, als kleineres Übel.«

Andererseits muss die SPD-Führung der Mehrheit der Mitglieder Rechnung tragen, die die Ziele Ypsilantis keineswegs ablehnt, nur an ihrem Vorgehen Kritik übt. Trotz der massiven Kampagne gegen Ypsilanti fanden nur 40 Prozent der SPD-Anhänger ihr Scheitern richtig, und Rot-Grün in Hessen liegt derzeit in den Umfragen immerhin noch auf dem Niveau des Wahlergebnisses von 2003. So hält sich Müntefering bedeckt, übt keine direkte Kritik an Ypsilanti, um sich dann aber durch auslegbare Formulierungen indirekt zitierfähig auch für die Gegner der hessischen SPD-Vorsitzenden zu machen. Gleich ihm arbeiten derzeit viele an der Wahlniederlage der SPD in Hessen und damit an einem Sieg Roland Kochs. Davon, wie die Wähler darauf reagieren, wird im kommenden Jahr viel für die künftige Politik nicht nur in diesem Bundesland abhängen.

2 Replies to “Ypsilanti macht nicht den Lafontaine”

  1. So verständlich die angeführten Gründe von Andrea Ypsilanti auch sind, nicht wieder als Spitzenkandidatin bei der voraussichtlich im Januar kommenden Jahres stattfindenden Landtagswahl in Hessen anzutreten, so sehr mag der neue Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel nur mehr als Verlegenheitslösung denn als Zukunftshoffnung angesehen werden. Allein diese wichtige Personalie des völlig unbekannten 39-Jährigen als Gegenkandidaten des „Landesvaters“ und Polit-Fuchses Roland Koch sagt schon viel über den inneren Zustand der Hessen-SPD aus.

    Aber Ypsilanti ist nach eigenem Bekunden eine Kämpfernatur und hat den Bettel ja nicht ganz hingeworfen. Sie bleibt die starke Frau im vorderen Hintergrund der hessischen SPD. Freilich muß sie auf absehbare Zeit weiter ohne die Unterstützung von Teilen der SPD im Land und Bund auskommen.

    Man könnte es natürlich auch so formulieren: die SPD in Hessen kann bei der anstehenden Landtagswahl nur gewinnen. Alles andere als eine deftige Wahlniederlage wäre eine positive Überraschung. Vielleicht unterschätzen Koch und seine wirtschaftsfreundliche CDU ja den „Nobody“ Schäfer-Gümbel und die arbeitnehmerfreundliche SPD in Hessen.

    Es ist aber schon erschreckend, wie die politische Kultur nicht nur innerhalb der SPD, sondern auch in der Bundesrepublik insgesamt in den Jahren seit der Machtübernahme 1998 durch Rot-Grün im Bund gelitten hat und einem zynischen Agenda-Reformkurs gewichen ist. Wer interessiert sich da noch für das Wahlprogramm und die politischen Ziele der „wortbrüchigen“ Andrea Ypsilanti und der vergleichsweise linken Hessen-SPD?

  2. Das Scheitern von Andrea Ypsilanti wirkt sich negativ auf die Bundes-SPD aus. Daher halte glaube ich nicht, dass das Müntefering gewollt hat.

    In der Schuldfrage wird extrem polarisiert. Weder Ypsilanti noch Walter und co sind alleine Schuld. Offensichtlich waren die Mitglieder der SPD Fraktion schon lange nicht mehr in der Lage offen miteinander zu reden. Ein eklatanter Mangel an Dialogkultur, der letztlich zeigt, dass diese Fraktion politikunfähig ist.

    Allerdings habe ich auch wenig Verständnis für weinerliche Voklsvertreter, die beklagen ihre Signale seien nicht wahrgenommen worden. Wer ein Mandat als Berufspolitiker bekleidet, muß in der Lage sein auch in schwierigen Situationen klar Position zu beziehen. Das hätte geheißen, dass die drei Spätabweichler vor Monaten klip und klar hätten sagen müsse: „Wir können nicht garantieren diesen Weg zu gehen“. Dann hätte Ypsilanti den Prozess dahin so nicht verfolgen können und die SPD stände heute nicht so deppert da.

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